Russland Behörden locken Wähler mit Geschenken

Moskau (RPO). Eine Parlamentswahl als Glücksspiel: Mit allerlei Anreizen versuchen die russischen Behörden, die Menschen zum Urnengang zu bewegen. In Noworossiisk hatten die Wähler die Chance, ein Auto, Computer-Notebooks oder Handys zu gewinnen. Das Ziel ist eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, um der Partei von Präsident Putin zum Sieg zu verhelfen.

Russland wählt ein neues Parlament
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In einer anderen Region wurden die Dörfer zum Wettbewerb um die höchste Wahlbeteiligung aufgerufen - in dem Dorf mit dem besten Ergebnis sollen neue Wohnungen gebaut werden. In der fernöstlichen Region Tschkotka haben die Appelle von oben offenbar gewirkt. Die amtliche Nachrichtenagentur ITAR-Tass meldete eine Gesamtbeteiligung von 73,3 Prozent, und im Bezirk Iultinski waren es sogar mehr als 90 Prozent.

"Moskau wählt Putin" - diese Wahlkampfparole auf den Transparenten in der russischen Hauptstadt Moskau klingt wie die Feststellung einer Tatsache. Niemand zweifelt am Sonntag daran, dass die Kreml-Partei Einiges Russland eine Mehrheit in der Staatsduma bekommt. Interessant war nur die Frage, wie deutlich diese ausfallen wird.

Dass der Wahlkampf gegen die Opposition mit Polizeiknüppeln geführt wurde wie bei den jüngsten Demonstrationen in Moskau und St. Petersburg, nehmen die meisten Bürger kaum wahr. "Er ist ein guter Mann", sagt Polina Amajewa bei ihrer Stimmabgabe - natürlich für das Einige Russland. "Jede Frau hätte diesen Mann gern im Haus", fügt die 58-Jährige hinzu.

Keine Wahl, sondern ein Referendum für Putin

Tatsächlich ist die Abstimmung am Sonntag weniger eine Parlamentswahl als ein Referendum über acht Jahre Präsidentschaft von Wladimir Putin. Die Verfassung hindert ihn zwar daran, bei der Präsidentschaftswahl im März ein drittes Mal anzutreten. Aber bei einem hohen Ergebnis für Einiges Russland zweifelt niemand daran, dass sich Putin auch auf andere Weise seinen weiteren Einfluss auf die Gestaltung der Politik sichern wird.

Der Spitzenkandidat vom Einigen Russland könnte sich zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Einige seiner Anhänger wollen ihn gar zum "nationalen Führer" machen, ohne die Aufgaben einer solchen Position klar zu benennen. Putin selbst hat erklärt, dass ein gutes Ergebnis seiner Partei ihm das moralische Recht gebe, auch in anderer Position dafür zu sorgen, dass seine Politik fortgeführt werde.

Dem ehemaligen Geheimdienstmann Putin wird es zugeschrieben, dass Russland aus den wirtschaftlichen Wirren nach der Auflösung der Sowjetunion herausgefunden hat. Dank der Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung gibt es jetzt ein stabiles Wirtschaftswachstum, und zwischen Arm und Reich entwickelt sich ein bürgerlicher Mittelstand.

Der Konflikt in Tschetschenien wird in Moskau nur noch ab und zu bei Meldungen über kleinere Scharmützel wahrgenommen. Und die entschlossenere Haltung gegenüber dem Westen wird von vielen Russen gern gesehen, die den Zusammenbruch der Sowjetunion als Niederlage erlebt haben. Da gefällt es auch, wenn Putin seine Gegner als "vom Ausland gefütterte Schakale" beschimpft.

Putin-Kurs ist vielen Russen nicht geheuer

Dennoch findet man zumindest in der Hauptstadt viele, denen der Putin-Kurs nicht ganz geheuer ist. Der Moskauer Iwan Kudraschow geht am Sonntag erst einmal zum Gottesdienst in die Christ-Erlöser-Kathedrale und hebt sich das Wählen für später auf. "Ich denke, das Ergebnis ist schon weitgehend geplant", sagt der junge Mann. "Ich weiß nicht, für wen ich wählen werde. Das entscheide ich erst in der Wahlkabine."

Festgelegt hat sich hingegen der 39-jährige Alexander Michailow. Vor einem Wahllokal in einer Moskauer Schule erklärt er, dass er für eine "wirklich demokratische Partei" stimmen und sein Kreuz daher bei Jabloko machen werde. Das ist nicht verboten - im Unterschied zur Stimmabgabe von 15 Aktivisten für Schwulenrechte, die in einem Wahllokal festgenommen werden, weil sie "Nein zur Homophobie" auf ihre Stimmzettel schreiben.

(ap)
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