Tsipras' Wahlsieg in Griechenland Juncker lässt grüßen, Merkel nicht

Athen/Brüssel/Berlin · Der EU-Kommissionspräsident beglückwünscht den neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras - während die Finanzminister in Brüssel fieberhaft Wege suchen, Athens Verbleib in der Euro-Zone zu sichern.

Alexis Tsipras - selbsternannter Retter Griechenlands
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Das ist Alexis Tsipras

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Jean-Claude Juncker ist ein ausgesucht höflicher Mann. "Im Namen der EU-Kommission und in meinem eigenen Namen gratuliere ich Ihnen zu Ihrem Erfolg bei der Parlamentswahl", schrieb der EU-Kommissionspräsident dem griechischen Wahlsieger Alexis Tsipras am Montag zur Mittagszeit - gerade noch rechtzeitig vor dessen eiliger Vereidigung zum Ministerpräsidenten am Nachmittag. "Ich erinnere mich gut daran, wie wir uns bei einer Fernsehdebatte im EU-Parlament im vergangenen Jahr getroffen haben", funkte Juncker an Tsipras. Jetzt gehe es darum, Jobs und nachhaltiges Wachstum zu schaffen und trotzdem Haushaltsdisziplin zu wahren. "Die EU-Kommission steht bereit, um Griechenland zu helfen, diese Ziele zu erreichen", schrieb Juncker.

Der Luxemburger weiß nur zu gut, wie wichtig es jetzt ist, für eine konstruktive Atmosphäre zwischen Brüssel und Athen zu sorgen. Denn die Vorstellungen über die Griechenland-Politik liegen nicht nur sehr weit auseinander, sie sind im Grunde unvereinbar. Der neue griechische Regierungschef will die Vereinbarungen mit den Geldgebern aufkündigen, die Reform- und Sparzusagen der bisherigen griechischen Regierung schlicht ignorieren. Mehr noch: Er fordert einen Erlass von 60 Prozent der griechischen Schulden gegenüber den Rettern. Kein Land in Europa signalisierte Tsipras hier gestern Entgegenkommen. Juncker hat nun eine herausragend wichtige Moderatorenrolle inne: Er wird zwischen Athen und dem Rest der EU-Welt vermitteln müssen.

Dass Tsipras aus Brüssel, nicht jedoch aus Berlin beglückwünscht wurde, sprach allerdings Bände: Berlin will offenbar harte Kante gegenüber Tsipras zeigen und dies auch in den kommenden Wochen so durchhalten. Die Bundesregierung werde sich erst dann äußern, wenn die neue Regierung in Athen im Amt sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Man stehe selbstverständlich zur Zusammenarbeit bereit. Griechenland habe "beachtliche Reformerfolge" erzielt. Verpflichtungen müssten eingehalten werden, weitere Reformen seien nötig, damit die Wirtschaft wachsen könne.

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In den Berliner Regierungsfraktionen blieb die Aufregung über den Regierungswechsel aus, er war ja allgemein erwartet worden. Die Stimmung im CDU-Präsidium sei entspannt gewesen, hieß es von Teilnehmern. Die Diskussion orientierte sich an der Annahme, dass Griechenland seine Verpflichtungen einhalte. Die Bildung einer Regierung aus Rechten und Linken bezeichnete CDU-Generalsekretär Peter Tauber anschließend als "originelle Lösung". Süffisant verwiesen CDU-Politiker darauf, wie nah sich Links- und Rechtspopulisten viel zu oft seien. Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte: "Eines muss der neuen Regierung jedenfalls gelingen: Statt der Rentner sollten in Griechenland auch mal die Reeder zur Finanzierung der Staatsfinanzen herangezogen werden."

In Brüssel berieten die Euro-Finanzminister über die Folgen des Regierungswechsels; richtungsweisende Beschlüsse wollen sie aber erst Mitte Februar treffen. Für die Minister geht es in den kommenden Wochen vor allem darum, den Ernstfall - das faktische Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro - zu verhindern. Athen hat nämlich bisher nicht alle Auflagen des noch bis Ende Februar laufenden aktuellen Rettungsprogramms erfüllt und dürfte deshalb eigentlich gar keine Anschlussfinanzierung mehr bekommen. Nun werden aber neue Wege gesucht, diese Regel zu dehnen und das laufende Programm um weitere vier Monate zu verlängern. "Grundsätzlich ist das eine Option", sagte eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Vor allem am Arbeitsmarkt stehen vereinbarte Reformen noch aus, die auch Tsipras kaum bis Ende Februar umsetzen wird. Der Programmverlängerung bis Ende Juni müssten die nationalen Parlamente zustimmen, auch der Bundestag. Schäuble wird die Parlamentarier mit Engelszungen überreden müssen, Athen noch einmal mehr Zeit zu geben. Allerdings wird die Koalition in Berlin gar keine andere Alternative haben.

Schäuble pochte gestern in Brüssel auf Vertragstreue. "Niemand drängt Griechenland irgendetwas auf, aber die Verpflichtungen gelten", sagte er. Es habe derzeit keinen Sinn, über einen Schuldenschnitt zu reden. "Wir haben es in den letzten Jahren immer in der besten Absicht gemacht, Griechenland zu helfen."

Ein Schuldenschnitt, wie ihn Tsipras fordert, brächte Athen kurz- und mittelfristig gar nichts. Denn die Hilfskredite aus dem ersten Rettungspaket muss Athen ohnehin erst zwischen 2020 und 2041 abzahlen, und die Zinsen wurden bereits unter das deutsche Niveau deutlich gesenkt. Beim zweiten Griechenland-Paket muss Athen erst zwischen 2023 und 2057 Kredite tilgen, die Zinszahlungen wurden bereits 2012 um zehn Jahre aufgeschoben.

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Auch die Idee einer internationalen Schuldenkonferenz, die Tsipras im Wahlkampf gefordert hatte, kam bei den Euro-Finanzministern gestern schlecht an. Österreichs Vertreter Hans Jörg Schelling etwa sprach von einem "Kuriosum". Schließlich gehe es diesmal vor allem um das Geld der Steuerzahler, da sich insgesamt rund 245 von 320 Milliarden Euro an griechischen Schulden in öffentlicher Hand befinden.

In Junckers EU-Kommission ist dagegen zumindest ein bisschen Verständnis für eine solche Initiative zu hören. Als Vorbild dient die Londoner Schuldenkonferenz, bei der der jungen Bundesrepublik Anfang der 50er Jahre rund zwei Drittel ihrer vom Deutschen Reich geerbten Schulden erlassen wurden - ein Grund für das folgende Wirtschaftswunder.

Mindestens so wichtig wie konkrete Geldfragen dürften auch symbolische Zugeständnisse bei der Überwachung der griechischen Reformen sein. So hat EU-Währungskommissar Pierre Moscovici den Griechen bereits weniger regelmäßige Inspektionstouren der Troika versprochen. Und für das in Griechenland so verhasste "Memorandum", in dem die Spar- und Reform- auflagen niedergelegt sind, gibt es ebenfalls schon eine sprachliche Alternative: "Zukunftsvertrag" lautet einer der Vorschläge aus Junckers neuer EU-Kommission.

(mar, may-,)
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