Nach Syrien-Deal wird die Frage lauter Besitzt auch Israel Chemiewaffen?

Jerusalem · Israel hüllt sich in Schweigen - und verbittet sich jeden Vergleich mit Syrien. Aber nach dem jüngsten Rahmenplan zur Vernichtung von Assads der Chemiewaffen droht wachsender Druck auf Jerusalem, seine Karten auf den Tisch zu legen.

Der chemische Kampfstoff Sarin
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Der chemische Kampfstoff Sarin

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Foto: dpa, ma ts mda

Der zwischen den USA und Russland vereinbarte Rahmenplan zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen lenkt die Aufmerksamkeit auf eine andere Frage - das vermutete Kampfstoff-Arsenal Israels. Und die jüngsten Entwicklungen könnten den Druck auf den jüdischen Staat erhöhen, nun selbst offenzulegen, was es besitzt.

Israel hat zwar die internationale Konvention zum Verbot und dem Einsatz chemischer Waffen vor zwei Jahrzehnten unterzeichnet. Aber es gehört zu den wenigen Ländern, die den Vertrag nie ratifiziert haben.

Während Experten im Ausland größtenteils glauben, dass Israel wahrscheinlich chemische und biologische Waffen besitzt, hüllen sich Offizielle in Jerusalem in Schweigen, weigern sich, die Existenz zu bestätigen oder zu verneinen. Es gehe jetzt um Syrien, sagen sie.
Nicht um Israel.

Der frühere Verteidigungsminister Amir Peretz lehnte es in einem Radio-Interview am Montag ab, über Israels etwaige Fähigkeiten zur chemischen Kriegsführung zu diskutieren. Aber er betonte, dass die Einstellung der internationalen Gemeinschaft zu Israel "anders" sei als die zu Syrien.

Sehr vage Reaktionen

"Es ist jedem klar, dass Israel eine demokratische, verantwortungsbewusste Führung hat", sagte Peretz. "Ich hoffe sehr und bin sicher, dass die internationale Gemeinschaft dies nicht zu einer zentralen Frage macht, und wir werden den Status quo aufrechterhalten."

Genauso vage hat Israel auf Berichte aus dem Ausland über die Existenz eines Atomarsenals reagiert, ein Kurs, der darauf ausgerichtet ist, Gegner abzuschrecken. Aber nach dem nun ausgearbeiteten Syrien-Rahmenplan zur Vernichtung von Syriens Chemiewaffen bis 2014 sind Rufe laut geworden, dass die israelische Regierung ähnliche Schritte ergreifen sollte.

"Sie sollte sagen, ob und wenn ja, welches Arsenal sie hat, und sie sollte sich um eine internationale Vereinbarung bemühen, um alle diese Arten von Waffen aus dem Nahen Osten herauszuhalten", sagt beispielsweise Dow Chenin, ein Parlamentarier von der Opposition.

Die liberale Zeitung "Haaretz" schrieb am Montag, dass die chemische Abrüstung Syriens Israel eine Gelegenheit biete, endlich die Chemiewaffen-Konvention zu ratifizieren. "Es wäre bedauernswert, wenn sich Israel in der Zukunft in der Lage Syriens fände - unter internationalem Druck gezwungen zu werden, der Konvention beizutreten."

Israel könne den Vertrag nicht in einem solchen unsicheren Umfeld unterzeichnen, sagt dagegen Paul Hirschson, ein Sprecher des israelischen Außenministeriums.

"Mangel an Transparenz"

Experten fühlen sich durch die unklaren Äußerungen nur noch in ihrer Annahme bestärkt, dass Israel im Laufe der Jahre chemische und biologische Waffen entwickelt hat. "Israels Mangel an Transparenz hat zu einem andauernden Verdacht geführt, dass es ein Chemiewaffen-Programm gibt, obwohl wir nicht in der Lage sind, das zu bestätigen", sagt Emily Chorley, Analystin beim renommierten Beraterservice IHS-Jane's.

Das Magazin "Foreign Policy" veröffentlichte kürzlich eine angebliches Geheimdokument des US-Geheimdienstes CIA aus dem Jahr 1983. Darin werden Beweise aufgeführt, nach denen Israel ein Chemiewaffen-Potenzial in unbekanntem Umfang besitzt, wahrscheinlich in den 70er Jahren entwickelt, aus Furcht, dass sich Nachbarländer solche Waffen zulegen könnten.

Es gebe mehrere Hinweise darauf, dass Israel zumindest über Nervengas, ein Senfgas und mehrere Stoffe zur Kontrolle von Krawallen verfüge - mit passenden Trägersystemen für den Einsatz, wird aus dem Dokument zitiert.

Der Verfasser des Magazin-Berichts, Militärhistoriker Matthew A. Aid, meint, das es sich bei dem Nervengas mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Sarin handele - jene Chemikalie, die nach dem jüngsten UN-Inspektionsbericht am 21. August in Syrien eingesetzt wurde. Außerdem ist in dem Papier von einer Einrichtung zur Herstellung von Nervengas in der Stadt Dimona die Rede, dem Standort von Israels geheimnisumwobenem Atomprogramm.

"Wir haben nie jemanden mit chemischen Waffen bedroht"

Israel sagt, dass es niemals chemische Waffen auf einem Gefechtsfeld eingesetzt habe. Freilich ist da jener berühmte und unrühmliche Vorfall im Jahr 1997, als israelische Mossad-Agenten versuchten, Hamas-Führer Chalid Maschal im benachbarten Jordanien zu vergiften. Die Agenten wurden aber gefasst, und Israel wurde am Ende gezwungen, das Gegengift herauszurücken.

Vorwürfe wurden auch laut, als Israel 2009 bei einer Offensive im Gaza-Streifen weißen Phosphor einsetzte - einen Stoff, der schwere Verbrennungen verursachen kann und nach der internationalen Konvention nicht als Waffe eingesetzt werden darf.

Seit Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien vor zweieinhalb Jahren hat Israel immer wieder vor den Gefahren des syrischen Chemiewaffen-Arsenals gewarnt. Befürchtungen gehen dahin, dass die Kampfstoffe auf israelisches Gebiet geschossen werden oder in die Hände der Hisbollah oder anderer feindlicher militanter Gruppen fallen könnten, die in Syrien kämpfen.

Hirschson sagt, dass Versuche Syriens oder anderer Staaten, einen Bogen von der möglichen Vernichtung der syrischen Kampfstoffe zu Israel zu schlagen, nur von der wirklichen Frage ablenkten. "Ich glaube nicht, dass Syrien das Recht hat, irgendjemandem vorzuschreiben, was er zu tun hat", sagt der Sprecher. "Wir haben nie jemanden mit chemischen Waffen bedroht, sie niemals eingesetzt - aber sie haben das getan."

(ap)
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