Ehemaliger Briten-Premier Blair schreibt Abrechnungsbuch

London (RP). In seiner Autobiografie "A Journey" macht der britische Ex-Premier seinen Nachfolger Gordon Brown für das Desaster seiner Labour-Partei verantwortlich. Auf 718 Seiten verteidigt Blair den Irak-Krieg, erzählt Anekdoten zur Queen – und gesteht ein Alkoholproblem.

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London (RP). In seiner Autobiografie "A Journey" macht der britische Ex-Premier seinen Nachfolger Gordon Brown für das Desaster seiner Labour-Partei verantwortlich. Auf 718 Seiten verteidigt Blair den Irak-Krieg, erzählt Anekdoten zur Queen — und gesteht ein Alkoholproblem.

"Ich wünsche meinen Freunden und Feinden alles Gute. Das ist das Ende" — Drei Jahre nach seiner letzten Rede im Parlament kehrt Ex-Regierungschef Tony Blair kurzzeitig in die britische Politik zurück. Ergraut und wegen seiner Geschäftstüchtigkeit als "zynische Geldmaschine" verspottet, immer noch im Besitz jener rhetorischen Kraft, die seine Anhänger elektrisiert und das Königreich gespalten hat.

"Ich bin eine rebellische Seele", erklärt der 57-jährige frühere Labour-Anführer. Blairs Autobiografie mit dem Titel "A Journey" ( "Eine Reise", Erscheint hier am 6. September) ist nicht nur eine Abrechnung mit dem abgewählten Premier Gordon Brown, sondern auch eine reuelose Bilanz einer schillernden Karriere, die am Ende vom Irak-Krieg überschattet wurde.

Es ist, als würde der dreifache Wahlgewinner heute noch mit seinen scharfzüngigen Spitzen bei den "Fragestunden" im Unterhaus die Nation zum Lachen bringen. Während seine Memoiren die Kassen der Buchgeschäfte klingeln lassen, sind Blairs Gesicht und Stimme allgegenwärtig. Mit Begeisterung stürzen sich die Medien auf die Enthüllungen des prominenten Autors, der in seinen Memoiren seinen Nachfolger als "unerträglichen" Querulanten für das "katastrophale" Wahl-Versagen von Labour verantwortlich macht.

Sie haben einander geliebt und gehasst: Die schwierige Nachbarschaft zweier ehrgeiziger Politiker in der Downing Street 10 und 11 hatte die Briten zehn Jahre lang in Spannung gehalten. Doch erst jetzt erfuhren sie, wie kompliziert die Zusammenarbeit mit dem 59-jährigen Brown wirklich gewesen sein soll. Der Schotte mit "null emotionaler Intelligenz" habe Reformen behindert und ihn durch unverhohlene Drohungen oft zur Weißglut gebracht, gesteht Blair.

Am Ende sei er nicht einmal mehr ans Telefon gegangen, wenn Brown anrief. Der Rivale musste weg, aber wie? Letztlich hatte er sich entschieden, den Schatzkanzler nicht zu feuern, weil er eine Spaltung in seiner Partei befürchtet habe. Dabei sei er sicher gewesen, dass Brown als miserabler Premier den "fortschrittlichen" Mitte-Links-Weg von "New Labour" verlassen und die Wahl gegen den "cleveren Cameron" verlieren würde.

Die scharfe Kritik seines Mitstreiters geht bei Blair einher mit einer Analyse eigener Schwächen. Es sind nicht viele: Ein paar unreife Gesetze und die gefährliche Gewohnheit, Ärger in Alkohol zu ertränken. Seine Abhängigkeit sei "grenzwertig" gewesen, gesteht der Ex-Premier: "Immer ein Whisky vor dem Abendessen, danach ein paar Gläser Wein oder auch mal eine halbe Flasche. Ich habe das gebraucht."

Wie erwartet, verteidigt Blair in den 718 Seiten den Kriegseinsatz im Irak. Er nennt George Bush einen "echten Idealisten". Es sei richtig gewesen, gemeinsam mit seinem "mutigen" US-Freund Saddam Hussein gestürzt zu haben. Er fühle keine Reue, aber "Qualen" angesichts der Verantwortung vor den Familien der gefallenen Briten, schreibt er. Blair plädiert für einen militärischen Angriff auf den Iran, falls sich die islamische Republik Atomwaffen verschaffen würde.

In anderen, teils heiteren Kapiteln beschreibt Blair einen Streit mit Prinzessin Diana kurz vor deren Tod und wie die Queen nach einem Essen mit dem Premier auf Schloss Balmoral selbst das schmutzige Geschirr abgeräumt habe.

Der Rummel um Blairs Biografie wird die Organisation Royal British Legion freuen, die das Buchhonorar von etwa vier Millionen Pfund und alle Verkaufserlöse zum Wohl von verwundeten britischen Soldaten in Afghanistan verwenden darf. Weniger begeistert dürfte die Labour-Spitze sein.

Denn Blair tröpfelt Gift auf die alten Parteiwunden just in dem Moment, als die Opposition einen Kurswechsel anstrebt. Was Brown angeht, so will er angeblich die Kritik seines früheren Rivalen mit "würdevollem Schweigen" beantworten.

(RP)
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