Moskau Nemzow-Mord: Kameras angeblich defekt

Moskau · Die Ermittlungen werden von vielen Ungereimtheiten begleitet. Russland rätselt über die Täter.

Heute wird der russische Oppositionelle Boris Nemzow in Moskau auf dem Friedhof Trojekurowo beigesetzt, wo auch die Putin-Kritikerin Anna Politkowskaja liegt. Sie war im Oktober 2006 an Wladimir Putins Geburtstag ermordet worden - erschossen wie Boris Nemzow, der an jenem Tag sterben musste, an dem der russische Geheimdienst den "Feiertag der Sonderoperationen" begeht.

Der Antrag des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny an der Beisetzung seines Freundes teilnehmen zu dürfen, wurde von der Moskauer Justiz abschlägig beschieden. Nawalny und Nemzow hatten am 20. Februar in der U-Bahn Flugblätter für eine geplante Demonstration am 1. März verteilt. Bei der Aktion wurde nur Nawalny festgenommen und zu Arrest verurteilt. Beobachter vermuten, dass die Machthaber befürchten, es könnte am Grab Nemzows zu Protestbekundungen kommen.

Gestern wurde ein Sonderermittler benannt: General Igor Krasnow, Experte für die Aufklärung von Verbrechen mit nationalistischem Hintergrund, werde eine zwölfköpfige Kommission leiten, wie russische Medien berichteten. Kritiker befürchten, dass die Tat nie aufgeklärt wird - wie frühere Attentate auf Kreml-Gegner, darunter Anna Politkowskaja. Das Ermittlungskomitee äußerte sich zum Gang der Nachforschungen bislang nicht näher. Bereits am Wochenende waren unscharfe Bilder einer Überwachungskamera aufgetaucht. Unter anderem fuhr darauf ein Schneepflug unmittelbar während des Überfalls am Tatort mit auffällig wechselnder Geschwindigkeit vorbei, an einem Freitag gegen Mitternacht in einer seit Wochen schneefreien Stadt. Das Räumfahrzeug bot den Tätern Sichtschutz und ermöglichte ihre Flucht.

Eine Menge Ungereimtheiten begleiten die Ermittlungen bereits: Die Zeitung "Kommersant" berichtet, dass die in Tatortnähe installierten Kameras am Freitagabend angeblich wegen eines Defekts ausgeschaltet waren. Moskaus Behörden dementierten dies. Zumindest auf einer an einem der Kreml-Türme angebrachten Kamera hätten schärfere Bilder zu sehen sein müssen. Sie hat den Tatort genau im Visier. Laut "Kommersant" soll sie aber ebenfalls ausgeschaltet gewesen sein. Der "Kommersant" geht auch davon aus, dass der Täter womöglich nicht im Bilde war, wen er genau umbringen sollte.

Die Behörden ermitteln unterdessen in vier Richtungen, es gibt zahlreiche Verschwörungstheorien unter anderem in Richtung Ukraine oder Islamisten. Das Wirtschaftsblatt "Wedomosti" gibt zu bedenken, ob hinter dem Mord nicht nationalistische Sicherheitskräfte stünden, auf denen Putins Macht fußt. Die These: Sie wollten verhindern, dass der Kreml-Chef eines Tages in den Kreis der "normalen Spitzenpolitiker der Welt" zurückkehren kann.

(RP)
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