Urteil des Obersten Gerichtshofs Regierung muss Parlament bei Brexit-Prozess einbinden

London · Der Oberste Gerichtshof in London hat sein Urteil gefällt: Die britische Regierung muss die Zustimmung des Parlaments einholen, bevor sie den Austritt Großbritanniens aus der EU erklärt.

 Das Urteil zum Brexit-Verfahren wurde mit Spannung erwartet.

Das Urteil zum Brexit-Verfahren wurde mit Spannung erwartet.

Foto: afp

Der Oberste britische Gerichtshof befasste sich mit der Frage, ob Premierministrin Theresa May den Brexit-Prozess ohne die Beteiligung des Parlaments einleiten darf. Die Richter urteilten, dass der Brexit-Prozess nicht ohne die Zustimmung des Parlaments eingeleitet werden darf. Der High Court, ein untergeordnetes Gericht, hatte dem Parlament im November Mitsprache zugebilligt und erklärt, dass vor dem Start des Brexit-Verfahrens ein Parlamentsvotum nötig ist.

Dagegen legte die Regierung jedoch Berufung ein. Sie argumentiere mit einem Hoheitsrecht aus dem Mittelalter, nach dem die Regierung die Handhabe über internationale Abkommen zufällt, ohne dass das Parlament zustimmen muss. Gerade in England mit seiner Parlamentstradition eckt das an.

Im Kern berührt das Gerichtsurteil die Frage nach der Teilung der Gewalten. Weil keine geschriebene Verfassung existiert, sondern das Verfassungsrecht sich aus einer Fülle von Gesetzen und Urteilen ableitet, ist diese aber umso schwerer zu beantworten. Auf den Brexit-Kurs an sich dürfte der Gerichtsentscheid trotzdem keine Auswirkung haben.

Denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich das Parlament gegen die Scheidung von der Europäischen Union stellen würde. Schon aus Achtung vor dem Referendumsergebnis vom Juni, bei dem sich 52 Prozent der Wähler für den Austritt aussprachen, wäre mit der Zustimmung der beiden Kammern zu rechnen. Doch für May und ihren Zeitplan könnte es nun eng werden. Denn der Start der Austrittsverhandlungen war für Ende März angesetzt.

Die europäischen Noch-Partner wollen zudem endlich klare Fakten. Und auch bei den Brexit-Befürwortern auf den Britischen Inseln wächst die Ungeduld. Etwa zwei Jahre wird der Austrittsprozess vermutlich dauern. Auf das Urteil des Gerichts war die Regierung indes gerüstet. Es liegen mehrere Gesetzesentwürfe vor, die dem Parlament schnellstens vorgelegt werden können.

Ziel ist wohl ein sehr kurzes Gesetz, das May die Befugnis erteilt, den Austritt nach Artikel 50 des Vertrags von Lissabon einzuleiten. Ein Gesetz, an dem nicht mehr allzu viel herumgeschraubt werden könnte.

Vor dem Urteil hatte May erklärt, dass der in Zukunft ausgehandelte, abgeschlossene Brexit-Vertrag in jedem Fall den Kammern vorgelegt wird.

Ein reines "Ja" oder "Nein" zur Berufung der Regierung ist der Gerichtsentscheid dennoch nicht. Und damit könnte die Sache für May doch noch komplizierter werden. Denn den Richtern lagen auch Eingaben von Politikern aus Schottland, Wales und Nordirland auf dem Tisch, wo vielfach ein Mitspracherecht beim Brexit gefordert wird. Das Gericht entschied aber, dass die Regionalparlamente von Schottland, Wales und Nordirland kein Mitspracherecht bei der Austrittserklärung Großbritanniens aus der EU haben.

Für alle drei Landesteile würde das Scheiden aus der Europäischen Union klare Veränderungen bei den Befugnissen innerhalb des Königreichs bedeuten. Vor allem Schottland ist mit dem Brexit nicht einverstanden. Wie in Nordirland stimmten die Menschen dort mehrheitlich für den Verbleib in der EU. In Nordirland selbst stehen außerdem erst einmal Wahlen an. Diese sind Anfang März - kurz vor Theresa Mays geplanter Vorlage des Scheidungsantrags in Brüssel.

(maxk)
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