Bürgerkrieg in Nahost Fragen und Antworten zur Waffenruhe in Syrien

Damaskus · Die USA und Russland haben sich auf eine Waffenruhe für Syrien verständigt und einen Plan vorgestellt, der den Weg zur Beendigung des jahrelangen Bürgerkriegs ebnen soll.

 US-Außenminister John Kerry (links) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow.

US-Außenminister John Kerry (links) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow.

Foto: ap, KL

Doch ein Erfolg wird schwierig - weil alle Seiten auf den Schlachtfeldern versuchen, Fakten zu schaffen, und viele Akteure schwer zu kontrollieren sind. Fragen und Antworten zum Themenkomplex:

Wie ist die Verständigung einzuordnen?

Es handelt sich wohl um den bislang umfassendsten Ansatz, um Frieden für das Land zu schaffen. Basis ist eine landesweite Waffenruhe, die die USA und Russland für beide Seiten ausgehandelt haben. Sie soll mit dem Beginn der Feiern zum islamischen Opferfest an diesem Montagabend zum Sonnenuntergang beginnen. Die Luftangriffe und Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen sollen dann enden und Hilfslieferungen in alle belagerten Gebiete geschaffen werden. Sollte die Feuerpause sieben Tage andauern, wollen die USA und Russland gemeinsam militärisch gegen Terrorgruppen in Syrien vorgehen.

Welche Großmacht profitiert von dem Deal?

Das Vorgehen liegt im Interesse sowohl der USA als auch Russlands, die beide aus dem Krieg heil herauskommen wollen. Für Moskau ist es allerdings ein Durchbruch: die Anerkennung als Einflussmacht auf gleichem Niveau wie Washington. Mit seinem Kriegseintritt vor einem Jahr hat Russland die Regierung in Damaskus stabilisiert und sich selbst in eine Schlüsselrolle gebracht. Darum kommen auch die USA nicht mehr herum. Bei einem Verstoß der Waffenruhe von Rebellenseite müssten die Aufständischen die harte und schnelle Vergeltung Moskaus und des Regimes befürchten. Auf der anderen Seite gilt es als unwahrscheinlich, dass die Amerikaner die Armee des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bei Zuwiderhandlung bombardieren würden.

Hängt der Frieden in Syrien also von Russlands gutem Willen ab?

US-Außenminister John Kerry tat bei der Vorstellung des Abkommens alles, um diesem Eindruck entgegenzuwirken. "Niemand baut es auf Vertrauen auf", sagte er. Es gehe vielmehr um gegenseitige Überwachung. Doch Moskau hat schon seit vergangenem Jahr Fakten in Syrien geschaffen und seine Hebel in dem Konflikt gegenüber den USA ausgebaut. Ebenso gegenüber dem Assad-Regime, das vom russischen Präsidenten Wladimir Putin abhängig ist.

Was ist mit den Terrorgruppen?

Die sunnitischen Terrormilizen Islamischer Staat (IS) und die mit Al-Kaida verbundene frühere Nusra-Front (heute: Dschabhat Fatah al-Scham) sind vom Friedensplan ausgenommen. Washington drängt sogar die verbündeten Milizen, alle Verbindungen zur Nusra zu kappen. Wenn alles läuft wie geplant, wollen die USA und Russland gemeinsam gegen die Terrormilizen vorgehen.

Wie soll das geschehen?

Geplant ist eine Koordinierungsstelle zur Terrorbekämpfung, ein Joint Implementation Center (JIC). Da sollen Russen und Amerikaner ihre Geheimdienst- und Militärinformationen austauschen und absprechen, wie sie IS und Nusra bekämpfen. Für Russland, das auf Anerkennung als Weltmacht pocht, wäre das Bündnis mit der Supermacht USA ein Prestigeerfolg - und eine Möglichkeit, die immensen Kosten des Kampfeinsatzes zu drücken. Die "New York Times" berichtet zudem, von Befürchtungen im Pentagon, eine militärische Zusammenarbeit könne Russland zu viel Einsicht in die Techniken der US-Streitkräfte geben.

Wie verhalten sich die anderen äußeren Kriegsparteien?

Alles hängt davon ab, dass auch die anderen in den Syrienkrieg verwickelten Staaten mitziehen. Der mit Moskau und Damaskus verbündete Iran begrüßte den Plan für eine Waffenruhe ebenso wie das Nato-Land Türkei. Interessant wird werden, was die sunnitischen Golfmonarchien tun. Saudi-Arabien und Katar scheinen die Pläne zunächst zu akzeptieren, doch wollten sie eigentlich Assad stürzen.

Aber auch die Türkei hat eigene Interessen - sie will kein freies Kurdistan an ihrer Südgrenze. Und nach Ansicht des Syrienexperten Charles Lister könnte der Iran zum aktiven Störfaktor werden, falls Russland mit den USA über eine Absetzung Assads verhandelt. "Die Kluft zwischen Russland und dem Iran in Syrien hat eine lang unterschätzte Dynamik", schrieb Lister auf Facebook.

Was bedeutet der Deal für die syrischen Rebellen?

Die Terrorgruppe Dschabhat Fatah al-Scham, früher der Al-Kaida-Ableger Al-Nusra, soll künftig wie auch der IS bekämpft werden. Das ist ein großer Einschnitt für eine Reihe teilweise moderater Rebellengruppen. Denn sie kämpfen oft Seite an Seite mit den gut ausgerüsteten Dschihadisten. Nun sollen sie sich - auch physisch - von Fatah al-Scham absetzen. Das würde Charles Lister zufolge auch bedeuten, Stellungen aufzugeben und womöglich dem Regime zu überlassen. "Die bewaffnete Opposition in Syrien steht nun vor der vielleicht größten und folgenschwersten Entscheidung, seit sie 2011 die Waffen gegen das Assad-Regime in die Hand nahmen."

Und die Kurden in alledem?

Die mit den USA verbündeten Kurden werden - scheinbar - "vergessen", obwohl sie ein wichtiger Machtfaktor in Nordsyrien sind. Das dürfte daran liegen, dass die Türkei eingebunden werden muss. Ziel dürfte sein, den syrischen Kurden eine Autonomie in Syrien zu garantieren, ohne die Einheit des Landes zu gefährden - und ohne dass die Türkei die Schaffung eines Kurdenstaates an ihrer Südgrenze fürchten muss.

Wachsen damit jetzt die Chancen auf ein Ende des Krieges?

Es gibt zumindest neue Hoffnung. Doch mittlerweile sind so viele Konfliktparteien an dem Krieg beteiligt, dass eine politische Lösung immer noch in weiter Ferne liegt. Selbst wenn vorerst die Waffen schweigen sollten, ist ein Frieden nicht garantiert. Ein zentraler Streitpunkt bleibt, wer das Land am Ende führen soll, wie man die Mitwirkung der Volksgruppen regelt - und ob Assad gehen muss.

(felt/dpa)
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