Koalition gegen IS Syrische Kurden hoffen auf mehr US-Unterstützung
Beirut · Im Kampf gegen den IS in Kobane erhielten die syrischen Kurden Luftunterstützung der USA. Doch seither werden sie in die Aktionen der US-geführten Koalition kaum noch einbezogen: Washington möchte die Beziehungen zur Türkei nicht gefährden.
Vier Monate lang kämpften syrische Kurden in der Stadt Kobane gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), während US-Kampfflugzeuge Angriffe flogen. Gemeinsam schafften sie es schließlich, die Extremisten aus der Stadt zu vertreiben und ihnen die blutigste Niederlage in Syrien seit Beginn der Luftangriffe im September zuzufügen. Das Pentagon lobte die Kurden. Sie hätten gezeigt, wie wichtig es sei, "auf dem Boden einen verlässlichen, willigen, fähigen Partner" zu haben.
Doch nun, zwei Monate später, verfolgen die syrischen Kurden die Aktionen der US-geführten Koalition gegen den IS überwiegend als Zuschauer. Anders als syrische Rebellen werden sie nicht in ein neues US-Ausbildungsprogramm einbezogen. Und anders als ihre kurdischen Brüder im Irak sollen sie keine amerikanischen Waffen erhalten.
Gegenwärtig seien ihre Verbindungen mit den USA auf die sporadische Koordination mit Luftangriffen der Koalition begrenzt, sagen Führer der Kurden. Deren Partei der demokratischen Union (PYD) und ihr bewaffneter Flügel, die Volksverteidigungseinheiten YPG, begrüßen die Unterstützung, doch sie wollen mehr. Die YPG hätten mehr als zwei Jahre lang bewiesen, dass sie im Kampf gegen den Terrorismus und den IS in Syrien die effektivste Kraft seien, sagt YPG-Sprecher Redur Chalil. Doch "im Gegensatz zu anderen Kräften im Irak" seien die YPG bislang nicht mit Waffen ausgerüstet worden.
In Syrien gäben die YPG den Amerikanern Informationen über den Aufenthaltsort von IS-Kämpfern, doch weiter gehe die Zusammenarbeit mit der Koalition nicht. "Wir planen Militäroperationen nicht gemeinsam", sagt Chalil. Und sogar die Unterstützung aus der Luft erfolge unregelmäßig. Die Koalition verweise zur Begründung oft darauf, dass es Militäraktionen im Irak gebe, und dass sie dort beschäftigt sei.
YPG-Kämpfer an der Front sagen, sie zahlten einen Blutzoll für die fehlende Luftunterstützung. Mit Luftangriffen "wäre es viel einfacher, und wir hätten weniger Opfer", sagt Hussein Kotschar, ein örtlicher YPG-Führer in der Stadt Ras al-Ain an der Grenze zur Türkei.
Im syrischen Bürgerkrieg haben die syrischen Kurden einen wahren Drahtseilakt vollzogen. Seit dem weitgehenden Abzug der Truppen von Präsident Baschar al-Assad aus den kurdischen Gebieten 2012 errichteten sie dort eine autonome Zone und suchten für deren Regierung die Unterstützung von Christen und Arabern. In der Schlacht um Kobane kämpften sie sogar an der Seite eines kleinen Kontingents syrischer Rebellen gegen den IS. Für die USA haben sich die YPG als fähiger Partner erwiesen. Eine Beschädigung der Beziehungen Washingtons zur Türkei möchten die USA für diesen Partner dennoch nicht riskieren.
"Ich glaube, das ist immer noch eines der größten Probleme für die YPG: Beziehungen zwischen der Türkei und den USA sind wichtiger als Beziehungen zwischen den YPG und den USA", sagt Wladimir van Wilgenburg, ein Nahost-Experte der Jamestown-Stiftung. Und daran dürfte sich so bald nichts ändern. Die Türkei ist ein strategisch günstig gelegenes Land mit 70 Millionen Einwohnern, das im Kampf gegen den IS viel zu bieten hat. Es hat seine Grenze zu Syrien geschlossen, um den Zustrom ausländischer Kämpfer zu stoppen, und bietet den USA die Möglichkeit, bis zu 4000 syrische Rebellen auf seinem Territorium auszubilden.
Doch inzwischen führt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Friedensgespräche mit der PKK, und es gibt Anzeichen für bessere Beziehungen zu den syrischen Kurden. Ein ranghoher türkischer Regierungsbeamter sagt, die Atmosphäre habe sich verbessert. Er verweist auf eine Aktion vom Februar, bei der Hunderte türkische Soldaten reibungslos durch Gebiete der YPG in Syrien zogen. Sie brachten Kameraden in Sicherheit, die ein osmanisches Grabmal am Euphrat bewachten.
Die syrischen Kurden sind sich des Einflusses bewusst, den die Türkei über ihr Verhältnis zu Washington ausübt. Saleh Muslim, der Vorsitzende der PYD, rief die USA auf, "uns mit eigenen Ohren zuzuhören und uns mit eigenen Augen zu sehen, nicht durch die anderer" - eine deutliche Anspielung auf Ankara. Muslim zeigte sich optimistisch, dass die eingeschränkte Beziehung trotz der Hürden gedeihen könne. "Wenn man sich miteinander befasst, wird man mit der Zeit stärker", sagt Muslim. "Ich glaube, dass wir vielleicht in der Zukunft sehr enge Beziehungen haben können."