Bundespräsidentenwahl am Sonntag In Österreich könnte bald ein Rechtspopulist an der Spitze stehen

Wien · Die Österreicher wählen am Sonntag unter großer internationaler Beachtung einen neuen Bundespräsidenten. Für das Amt kandidieren der FPÖ-Politiker Norbert Hofer (45) und der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen (72). Erstmals wird damit ein Politiker aus den Reihen der Oppositionsparteien neuer Staatschef.

 Bellen contra Hofer (rechts) - die Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich.

Bellen contra Hofer (rechts) - die Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich.

Foto: dpa

Im Falle seines Sieges wäre Hofer der erste Rechtspopulist an der Spitze eines Staates in Westeuropa. Seine guten Erfolgschancen sind auch der Grund für das enorme internationale Interesse. Nach Angaben des Innenministeriums vom Samstag haben sich 765 Journalisten, Fotografen und TV-Teams aus aller Welt zur Berichterstattung angemeldet.

Der Bundespräsident kann in Österreich zumindest auf dem Papier einen erheblichen Einfluss auch auf die Tagespolitik nehmen. So kann er die Regierung entlassen und die Vereidigung eines Kabinetts oder einzelner Minister verweigern. Die Wahl gilt als Weichenstellung für eine künftige Regierungsbeteiligung der ausländer- und EU-kritischen FPÖ. Sie ist die aktuell populärste politische Kraft in Österreich.

Laut Umfragen dürfte das Ergebnis wieder knapp ausfallen. Bei der ersten Stichwahl am 22. Mai hatte Van der Bellen mit knapp 31.000 Stimmen Vorsprung hauchdünn gewonnen. Dieses Votum war vom Verfassungsgerichtshof wegen organisatorischer Schlampereien bei der Auszählung der Briefwahlstimmen annulliert worden.

Der dritte Anlauf für die Wahl

Nach einer erneuten Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins am 2. Oktober wegen Problemen mit den Briefwahl-Kuverts ist es nun der dritte Anlauf, um das höchste Staatsamt zu besetzen.

6,4 Millionen Bürger dürfen am Sonntag wählen gehen. Die Wahlbeteiligung lag am 22. Mai bei 72,7 Prozent. Alle Prognosen gehen davon aus, dass die Motivation der Bürger gesunken ist. Ein erstes Anzeichen für ein geringeres Wahlinteresse könnte der Rückgang der Anzahl der Briefwähler um rund 20 Prozent sein. Hatten für den 22. Mai noch rund 885.000 Bürger eine entsprechende Wahlkarte bestellt, sind es nun nur noch 708.000.

Der fast einjährige Wahlkampf und die vielen organisatorischen Pannen haben erhebliche Spuren in der politischen Kultur des Landes hinterlassen. So lieferten sich die Kandidaten in mindestens zwei TV-Duellen eine wenig staatsmännische Redeschlacht. In der letzten TV-Debatte im ORF drei Tage vor der Wahl hagelte es gegenseitige Lügen-Vorwürfe. "Das war eine Schlüsselszene im Drehbuch des langsamen Untergangs der politischen Kultur Österreichs. Zum Politikschämen", befand die Zeitung "Die Presse".

Die Befugnisse des österreichischen Bundespräsidenten

Österreichs Bundespräsident hat deutlich mehr Befugnisse als viele seiner europäischen Amtskollegen. So hat er nach Nationalratswahlen zumindest theoretisch freie Hand bei der Nominierung des Bundeskanzlers und darf einzelne Minister ablehnen, die er für ungeeignet hält. Seinen Arbeitsplatz hat der Bundespräsident in der noblen Wiener Hofburg.

Der höchste Repräsentant des Staates könnte außerdem die gesamte Regierung - ohne weitere Begründung - entlassen. Das gab es aber noch nie. Der Präsident ist auch Oberbefehlshaber des Heeres.

Der Bundespräsident wird in Österreich direkt vom Volk gewählt. Er nimmt im Politikalltag dennoch eher die Rolle als moralische Leitfigur und Repräsentant Österreichs im Ausland ein. Außerdem ist er für die Überprüfung neuer Bundesgesetze zuständig. Sollten diese nicht der Verfassung entsprechen, kann der Präsident seine Unterschrift verweigern und das Gesetz zur Begutachtung zurückschicken.

Der Präsident ist auch befugt, auf Vorschlag des Justizministers Strafgefangene zu begnadigen. Außerdem kann er unehelich geborene Kinder legalisieren. Das Gesetz stammt noch aus einer Zeit, als die Kinder Unverheirateter rechtlich schlechter gestellt waren.

(felt/dpa)
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