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Kabinettsumbildung Cameron versucht Befreiungsschlag

London · Der konservative britische Premierminister hat zwei Jahre nach seinem Amtsantritt mit schlechten Wirtschaftsdaten zu kämpfen. In seiner Koalition mit den Liberalen knirscht es zudem heftig. Eine Kabinettsumbildung soll der Regierung nun etwas Luft verschaffen.

 Premier David Cameron versucht nach der Hälfte seiner Amtszeit einen Neustart.

Premier David Cameron versucht nach der Hälfte seiner Amtszeit einen Neustart.

Foto: dapd, Yui Mok

Es war das erste Mal, dass die Zuschauer bei den Paralympics in London "Buh"-Rufe hörten. Zehntausende im Olympiastadion protestierten laut, als am Montagabend der konservative Finanzminister George Osborne zum Siegerpodest schritt, um den besten Athleten auf der 400-Meter-Distanz die Medaillen umzuhängen.

Zur gleichen Zeit legte David Cameron in der Downing Street letzte Hand an seinen größten Kabinettsumbau seit dem Amtsantritt vor zwei Jahren, mit dem der 45-jährige Premierminister am folgenden Morgen für optimistische Schlagzeilen sorgen wollte.

Das Bild seines gedemütigten Freundes und engsten Verbündeten muss dem Tory-Chef vor Augen geführt haben, wie tief sein Regierungsteam inzwischen in der Gunst der Wähler gesunken war.

Es scheint überall zu kriseln. Zum zweiten Mal seit 2009 kämpft das Königreich gegen eine Rezession. Der Abbau der Staatsschulden geht nur schleppend voran, und die Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben treiben die starken Gewerkschaften auf die Barrikaden.

Es läuft nicht rund für Cameron, der nach einem nicht überzeugenden Sieg im Mai 2010 keine andere Wahl hatte, als die erste britische Koalitionsregierung seit dem Zweiten Weltkrieg zu bilden. Schon kurz darauf hatten sich im Fundament des liberal-konservativen Bündnisses die ersten Risse gebildet, als die Liberaldemokraten ihre Wahlversprechen brechen und für Studiengebühren stimmen mussten. Die Spannungen haben sich weiter verschärft, nachdem Cameron im August die überfällige Reform des Oberhauses scheitern ließ, die dem liberalen Vize-Premier Nick Clegg am Herzen lag. Jetzt will Clegg im Gegenzug die von den Tories gewünschte Wahlkreisreform torpedieren.

Der Streit auf den Regierungsbänken eskalierte vor einer Woche, als ein konservativer Abgeordneter den umstrittenen Bau der dritten Start- und Landebahn am überlasteten Großflughafen London Heathrow zur Überlebensfrage seiner Partei erklärte. Tim Yeo stellte öffentlich die rhetorische Frage: "Bin ich ein Mann oder eine Maus?" Als Antwort gab es gestern eine Kabinettsumbildung mit begrenzter Wirkung, die neue Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Premiers säte. Mann oder Maus? Das bleibt unklar.

Vorsichtshalber versetzte jedoch Cameron gestern seine Transportministerin Justine Greening — eine erbitterte Gegnerin der Heathrow-Erweiterung — ins Entwicklungshilfe-Ressort. Damit eröffnet sich der Premier nach Meinung der Analysten den Weg zu einer möglichen Kehrtwende im Heathrow-Streit vor der Wahl 2015, die den Tories zusätzliche Wählerstimmen sichern könnte. Greenings Nachfolger ist der bisherige "Einpeitscher" (chief whip) der Konservativen im Parlament, Patrick McLoughlin. Dieser wiederum wurde durch einen Politiker mit dem Spitznamen "Drescher" ersetzt. Der 56-jährige Andrew Mitchell gilt als ein Verbündeter Camerons, der mit harten Disziplinarmaßnahmen die rebellischen Tory-Hinterbänkler wieder auf Kurs bringen soll.

Seinen Kultur- und Sportminister Jeremy Hunt brachte Cameron nach scharfer Kritik an dessen Nähe zum Zeitungsmagnaten Rupert Murdoch außer Schussweite. Hunt wird das Gesundheitsressort des gefeuerten Ministers Andrew Lansley übernehmen, der wegen seiner unpopulären Reform des staatlichen Gesundheitsdienstes zu einer Hassfigur unter vielen Medizinern geworden war. Auch diese Umbesetzung wird in London als ein Zeichen für eine bevorstehende Kehrtwende gedeutet. Einen weiteren Wechsel gibt es im Justizministerium, das der gemäßigte Polit-Veteran Ken Clarke (72) an den Hardliner Chris Grayling (50) abtreten muss. Dies wird als ein Zugeständnis Camerons an den rechten Flügel seiner Partei gewertet.

Wie erwartet, ließ der Premier seine Schlüsselminister George Osborne (Finanzen), William Hague (Außenpolitik) und Theresa May (Inneres) in ihren Ämtern.

(RP/pst)
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