"Kein Kanzlerwahlverein" CDU-Basis grummelt über Merkels Atomkurs

Berlin (RPO). Wegen der Atomwende rumort es nicht nur bei den Grünen, sondern auch an der CDU-Basis. Bundeskanzlerin Angela Merkel musste ihren neuen Kurs und das Schnellverfahren zur Energiewende am Samstag vor CDU-Lokalpolitikern erneut verteidigen.

Angela Merkel verteidigt gerade ihre Griechenlandpolitik, da klingelt ihr Handy. Der Finanzminister ist dran. Merkel schickt ihren Generalsekretär Hermann Gröhe vor. "Sag' Wolfgang, ich ruf ihn später zurück, ich hab' hier Wichtiges zu tun". Diesmal hat die CDU-Vorsitzende die Lacher auf ihrer Seite.

Doch offenbart die Szene am Samstag bei der Kreisvorsitzendenkonferenz in Berlin auch Merkels Probleme in ihrer CDU. Während die Parteivorsitzende und Kanzlerin mit ihrer Regierung Entscheidungen trifft, Energiewenden und Millionen-Hilfen im Rekordtempo vorbereitet, fühlt sich die Partei nicht mehr mitgenommen.

"Unsere Politik versteht sich nicht mehr von selbst, es fehlt an Erklärungen", lautet ein Vorwurf. "Die Partei hat die Themen nicht diskutiert", ein anderer. "Wir sind zum Kanzlerwahlverein verkommen", schallt es Merkel und ihrem Generalsekretär von der CDU-Basis entgegen. "Ihr macht Politik ohne uns mitzunehmen."

Merkel und Gröhe verteidigen Kurs

Merkel und Gröhe bemühen sich redlich, ihren Kurs darzustellen. Merkel redet vierzig Minuten engagiert, wirbt für Griechenland-Hilfen, bekennt sich zu Europa und verteidigt ihren Kurs in der Atompolitik erneut mit dem Unfall in Fukushima. "Wer, wenn nicht wir, sollte den Ausstieg aus der Kernenergie schaffen", sagt Merkel und meint dabei sowohl ihre Partei als auch ihr Land.

Gröhe äußert Verständnis für Frust in Zeiten schlechter Umfragewerte und "Indiskretionen aus Koalitionsausschüssen". Gleichzeitig stellt er dar, wie gut es Deutschland wirtschaftlich gehe. Leider gingen die Leitartikel vieler Medien gerade in eine andere Richtung.

Doch nicht nur die Kommentare in den Zeitungen sind schlecht, auch die Basis grummelt hörbar. Die Wahlniederlagen der jüngsten Zeit haben Spuren hinterlassen, aber auch die überstürzt scheinende Energiewende lässt viele CDU-Mitglieder fragend zurück.

"Wie soll ich die vielen Ausstiegsschreiben denn beantworten, wie neue Mitglieder gewinnen, wenn ich die Politik selbst nicht erklären kann?", fragt ein Kreisvorsitzender aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen. Die Frage der Mitglieder "wird für uns lebenswichtig" sein. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die CDU inzwischen weniger als 500.000 Parteimitglieder hat.

Der Partei die eigene Politik verkaufen

"Profil gewinnt man nur mit Verlässlichkeit und klarem Kurs. Augenblickspolitik wie die Reaktion auf Fukushima wirft keine Dividende ab", hatte der Chef der CDU-Fraktion im thüringischen Landtag, Mike Mohring, vor kurzem bemängelt. Damit traf er den Kern der Kritik der Lokalpolitiker. Auch die Abstimmungen über Atom- und Griechenlandpolitik in der Unions-Fraktion, bei der es Nein-Stimmen und Enthaltungen gab, sind Folgen der Verunsicherung in den eigenen Reihen.

Und so müht sich Merkel weiter, ihrer Partei ihre Politik zu verkaufen. Sie bemüht den Markenkern der CDU, der in der persönlichen Freiheit des Menschen liege, nicht in "Kernenergie und Wehrpflicht".

Am Samstag hat Merkel zumindest einen Teilerfolg erzielt: Der Beifall am Ende ist enthusiastischer als zu Beginn. Wie gut Merkel noch in der eigenen Partei verankert ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Der Atomausstieg ist noch nicht mit eigener Mehrheit verabschiedet und bei den Hilfen für Griechenland gibt es derzeit nur eine Atempause.

(AP/csr)
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