Illegale Transplantationen China will keine Organe von Häftlingen mehr

Peking · Viele Jahre wurde in China ein Großteil der Organtransplantationen mit Organen von Exekutierten durchgeführt. Sonst fanden sich kaum Spender. 2015 soll mit der illegalen Praxis jedoch Schluss sein.

"Stichttag für den landesweiten Stopp von Spenderorganen, die von Exekutierten stammen, ist der 1. Januar 2015", sagte der Mediziner Huang Jiefu nach Angaben der Kantoner Zeitung "Nanfang Dushibao". Von Beginn des neuen Jahres an dürften Organe nur noch von Bürgern stammen, "die sich freiwillig vor ihrem Tod bereit erklärt haben, ihre Organe zu spenden, nicht aber mehr von Hingerichteten", sagte demnach der Vorsitzende des Koordinationszentrums für Organspenden und Transplantationen.

Zehn Jahre lang hatte der frühere Vizegesundheitsminister Huang auf das Ende einer kriminellen Praxis hingearbeitet. Huang, der selbst einst Facharzt für Lebertransplantationen war, schockte 2005 die weltweite Öffentlichkeit. Er machte eine ebenso grausame wie bis dahin vertuschte Praxis auf einem internationalen Medizinsymposium öffentlich: Für fast alle Transplantationen würden in China Organe erschossener Häftlinge genutzt.

Der heute 68-Jährige startete damals seinen Kreuzzug gegen den auch nach Chinas Gesetzen eigentlich verbotenen Missbrauch von Tausenden exekutierter Häftlinge als "Ersatzteillieferanten" für Körperorgane. Als Erstes sorgte Huang dafür, dass Krankenhäuser und kriminelle Vermittler, die einen lukrativen Transplantations-Tourismus betrieben, an den Pranger gestellt wurden. Für hohe Summen konnten sich bis dahin aus dem Ausland anreisende reiche Patienten in chinesischen Spezialkliniken neue Nieren, Leber und andere Organe einsetzen lassen. Zugleich begannen Gerichte in spektakulären Prozessen skrupellose Organhändler zu verurteilen, die etwa bäuerliche Wanderarbeiter mit Prämien von umgerechnet 3500 Euro verführten, eine ihrer Nieren zu verkaufen. Patienten zahlten dem Krankenhaus dann das Zehnfache dafür.

Einen ersten Durchbruch erzielte Huang 2007, als der Handel mit Organen gesetzlich verboten wurde. Von 2009 an begann Chinas Rotes Kreuz unter Kontrolle des Staatsrates und des Gesundheitsministeriums ein landesweites System für Organspenden aufzubauen. 2012 versprach Huang, in "drei bis fünf" Jahren die Abhängigkeit von Hinrichtungen zur Organbeschaffung vollends zu beenden. Auf dem Weg dahin musste er Fehlschläge einräumen, weil es keine Möglichkeit gab, auf legalem Weg die Nachfrage von 1,5 Millionen Patienten auch nur zu einem Promille zu decken. Unter den rund eine Million schwer Nierenkranken in China brach darüber Verzweiflung aus. 2011 etwa konnten nicht einmal 4000 Patienten eine neue Niere erhalten.

Die Spenderrate in China liegt bei nur 0,6 Personen pro einer Million Menschen. Zum Vergleich: In Spanien kommen 36 Spender auf eine Million. Vier Jahre seit Einführung des neuen Organspendesystems 2010 sind in China nur 7822 Organe von 2948 Bürgern gespendet worden. Bisher kommen weniger als ein Drittel der bei Transplantationen verwendeten Organe von Familienmitgliedern, Verwandten oder Freunden der Patienten. Das tief sitzende konfuzianische Denken, wonach auch ein toter Körper nicht einfach "zerstört" werden dürfe, könne nur allmählich überwunden werden, sagt Mediziner Huang.

Die Folge: 2013 ging das Gesundheitsministerium davon aus, dass immer noch 60 bis 70 Prozent aller verpflanzten Organe von exekutierten Häftlingen stammten. Angeblich hätten die Hingerichteten ihre Zustimmung aber vorab schriftlich erteilt. Chinesische Zeitungen enthüllten jedoch, dass Gefangene in Todeszellen unter Druck gesetzt wurden, um "freiwillige" Einwilligungen zu unterschreiben.

(RP)
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