Gedenkfeiern in der Normandie D-Day - die Veteranen erinnern sich noch an jede Einzelheit

Paris · "Wir werden Euch ewig dankbar sein", würdigt US-Präsident Barack Obama bei den Gedenkfeiern in der Normandie die Verdienste der Veteranen des 6. Juni 1944. Die Erinnerung ist bei vielen Veteranen bis heute lebendig. "Ich kann auf diesen Strand hinaussehen und Ihnen sagen, wo genau jeder lag", erzählt einer.

Staatschefs danken den Veteranen des D-Day
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Vor 70 Jahren landeten sie bei stürmischem Wetter und mit dem Auftrag, den Feind zu töten. Jetzt kamen die Veteranen der 29. Infanterie-Division der US-Streitkräfte an einem strahlenden Tag bei Sonnenaufgang an die Küste der Normandie zurück und ehrten ihre gefallenen Kameraden.

Um 06.30 Uhr erreichten am 6. Juni 1944 die ersten Infanteristen vom Meer aus unter dem Kugelhagel der Wehrmacht den Strandabschnitt namens Omaha Beach. Unter ihnen auch die sieben ehemaligen Soldaten, die sich am Freitag wieder dort einfanden. "29, los geht's", riefen die Männer, alle bereits um die 90, in Bezug auf ihr damaliges Regiment - die heutige Militärband spielte währenddessen unter anderem "Amazing Grace". Die Veteranen stießen mit einem Calvados, dem Branntwein aus der Normandie, an, bevor sie unter dem Applaus von Schaulustigen - einige von ihnen in historischen Uniformen - den Strand wieder verließen.

"Ich landete in der ersten Welle an diesem Strand und wurde fünfmal verwundet - dreimal am D-Day und zweimal am 7. Juni", erzählte der heute 89-jährige Harold Baumgarten, ein pensionierter Arzt und Autor, der Nachrichtenagentur AP. "Ich musste aufhören. Das Blut war mir ausgegangen."

An die dramatischen Stunden, als Sanitäter verwundete Kameraden aus dem blutgefärbten Wasser zogen und neben ihm Freunde von Kugeln niedergestreckt wurden, erinnert sich Baumgarten auch nach 70 Jahren noch bis ins Detail. "Ich kann auf diesen Strand hinaussehen und Ihnen sagen, wo genau jeder lag, und ich kann sein Gesicht beschreiben, auch heute noch", sagte er. Auch seinen Kameraden, mit denen die AP im Vorfeld der Feiern Interviews geführt hatte, geht es ähnlich.

Der 94-jährige Steven Melnikoff würdigte vor allem jene, für die der Zweite Weltkrieg am Strand der Normandie endete und die jetzt im nahe gelegenen US-Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer begraben liegen.

"Sie haben den Preis gezahlt. Sie sind die Helden", sagte Melnikoff. "Hier gibt es jede Menge Leute mit vielen Abzeichen, aber diese Jungs haben wahrscheinlich kein einziges bekommen. Das sind die Jungs, für die ich hierher zurückkomme."

So reagierten die Mächtigen des Westens auf Putin
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Mehr als 150 000 amerikanische, britische und kanadische Soldaten kamen am 6. Juni 1944 in der Normandie an Land, allein am ersten Tag wurden mindestens 4400 von ihnen getötet, Tausende weitere in den folgenden drei Monaten, bis die Alliierten schließlich nach Paris gelangten und die Stadt aus der Nazi-Besatzung befreien konnten.

Die 29. US-Infanteriedivision, eine Einheit der Nationalgarde mit dem Spitznamen "Die Blaue und Graue", war eine von sechs alliierten Infanterie- und drei Fallschirmspringer-Divisionen, die auf dem hart verteidigten, 80 Kilometer langen Küstenabschnitt landeten. Ziele bei der streng geheimen Operation Overlord waren fünf Strände mit den Codenamen Gold, Juno, Omaha, Sword und Utah. Unter den Toten und Vermissten des ersten Tages waren allein fast 1000 Soldaten der 29.
Infanteriedivision.

Jetzt sind nur noch sehr wenige der Soldaten von damals am Leben, um das Geschehene weiterzugeben, kaum einer ist noch unter 90. Insgesamt waren bei der offiziellen Feier mehr als 1000 Veteranen anwesend, unter ihnen auch die sieben der 29. Infanteriedivision.

Die anwesenden Staats- und Regierungschefs lobten den Einsatz der Männer. "Frankreich wird niemals vergessen, was es diesen Soldaten schuldet, was es den USA schuldet", sagte Präsident François Hollande auf dem US-Soldatenfriedhof. "Es lebe Amerika! Es lebe Frankreich! Und lang lebe die Erinnerung an die, die hier für die Freiheit gefallen sind."

Doch angesichts neuer Spannungen in Osteuropa versäumte er es nicht, auch der Sowjetunion wegen ihres "entscheidenden Beitrags" zum Sieg über Hitler-Deutschland Anerkennung zu zollen. Er ziehe den Hut vor dem "Mut der Roten Armee, die es - 150 deutschen Divisionen gegenübergestellt - vermocht hat, diese zurückzudrängen und zu besiegen", so Hollande. Zugleich würdigte er "den entscheidenden Beitrag der Völker der damaligen Sowjetunion" zum Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Unter dem Applaus der mehreren Tausend Gäste schloss Hollande ausdrücklich die deutschen Opfer mit ein. Er sprach von einem Sieg auch der Deutschen gegen die Nazis. "Ich möchte den Mut der Deutschen würdigen, die auch Opfer des Nazismus waren und in einen Krieg hineingezogen wurden, der nicht der ihre war und der nicht der ihre hätte sein sollen", sagte Hollande.

Später trat auch Kanzlerin Merkel ans Mikrofon. Die Bundeskanzlerin würdigte die Opfer der Alliierten im Kampf gegen Hitler-Deutschland. Deutschland könne "dankbar" sein, "dass die Allierten solche Opfer erbracht haben, um eines Tages die Befreiung vom Nationalsozialismus durchzusetzen", so Merkel. Diese Befreiung habe einen "unermesslich hohen Preis" gehabt. "Hunderttausende Menschen bezahlten damals für Frieden und Freiheit mit ihrem Leben."

An der D-Day-Gedenkfeier am Strand von Ouistreham nahmen Kriegsveteranen sowie Staats- und Regierungschefs aus 20 Ländern teil. Dabei waren neben US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel auch Kreml-Chef Wladimir Putin und der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko.

(ap dpa)
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