50 Jahre Tibet-Konflikt Dalai Lama spricht von "Hölle auf Erden"

Dharamsala/Berlin (RPO). Zum 50. Jahrestag des Aufstandes in Tibet hat der Dalai Lama China mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisiert und China "Lügenpropaganda" vorgeworfen. In Berlin demonstrierten Tibet-Symphatisanten vor der chinesischen Botschaft, parteiübergreifend riefen deutsche Politiker zur Einhaltung der Menschenrechte in Tibet auf. Zwischen den USA und dem Reich der Mitte sorgt der Tibet-Konflikt erneut für Spannungen.

Der Dalai Lama in Deutschland
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Foto: AP

Peking forderte den US-Kongress auf, eine chinakritische Resolution zur Situation in Tibet zurückzuziehen. Seit dem Aufstand vom 10. März 1959 habe China den Tod von hunderttausenden Menschen verursacht und unaussprechliches Leid über die Himalaya-Region gebracht, sagte der Dalai Lama in seiner aus dem indischen Exil per Internet verbreiteten Ansprache.

"Dies stieß die Tibeter in solche Abgründe von Leid und Not, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle auf Erde durchlebten." Dennoch strebe sein Volk nicht nach Unabhängigkeit, sondern nach einer rechtmäßigen Autonomie. "Ich habe keinen Zweifel, dass sich die gerechte Sache Tibets letztlich durchsetzen wird", sagte der 73-Jährige.

Die Volksrepublik habe den Tibetern die "Hölle auf Erden" bereitet, sagte der Dalai Lama am Dienstag im indischen Dharamsala. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter zeigte sich gleichzeitig enttäuscht über die festgefahrene Situation und das "brutale" Vorgehen Chinas seit den Unruhen im vergangenen Jahr.

Dabei waren nach tibetischen Angaben 200 Tibeter getötet worden, die Regierung in Peking sprach hingegen von 21 Todesopfern. 1200 Tibeter werden nach Angaben der Internationalen Tibet-Kampagne seither vermisst.

Peking warf dem Dalai Lama Lügenpropaganda vor. "Die Clique des Dalai Lama unterscheidet nicht das Richtige vom Falschen. Sie verbreitet Gerüchte", erklärte ein Sprecher des Außenministeriums.

"Die demokratischen Reformen in Tibet sind die umfangreichsten und tiefgreifendsten in seiner Geschichte", fügte er hinzu. In den vergangenen 50 Jahren seien "Millionen von Leibeigenen die neuen Besitzer von Tibet" geworden.

Der US-Kongress wollte am Dienstag (Ortszeit) eine am Vortag eingebrachte Resolution gegen die chinesische "Unterdrückung" in Tibet verabschieden. Die Präsidentin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, eine langjährige Unterstützerin des Dalai Lama, ging von einer "überwältigenden" Mehrheit aus.

"Die Situation in Tibet fordert die Welt heraus", sagte sie vor Tibetern und Unterstützern in Washington. Freiheitsliebende Menschen würden ihre "moralische Autorität" verlieren, wenn sie sich nicht für Menschenrechte in China und Tibet einsetzten.

Chinas Außenministerium äußerte sich "ernsthaft besorgt" über die Resolution und forderte ihre Rücknahme. Der von "anti-chinesischen" Repräsentanten eingebrachte Entwurf missachte "die Geschichte und die Realität Tibets", sagte ein Sprecher.

Hollywood-Schauspieler und Tibet-Aktivist Richard Gere forderte den US-Kongress indes auf, sich vor dem Besuch von Chinas Außenminister Yang Jiechi in Washington in dieser Woche für Tibet auszusprechen.

Er hoffe, dass sich US-Außenministerin Hillary Clinton versprochen habe, als sie vergangenen Monat ein Zurücktreten der Menschenrechte hinter gemeinsame US-chinesische Anstrengungen gegen die Wirtschaftskrise angekündigt habe, sagte Gere der Nachrichtenagentur AFP.

Weltweit fanden Solidaritätskundgebungen mit den Tibetern statt. Vor dem Weißen Haus in Washington hielten Aktivisten in der Nacht zum Dienstag zwei Schweigeminuten zum Gedenken an den Aufstand und die anschließende Flucht des Dalai Lama nach Indien ein.

In Nepal gedachten etwa 1000 Tibeter betend in einem Kloster des Jahrestags, es gab leichte Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften. Bei einer Kundgebung in Australien gab es Zusammenstöße mit der Polizei, als Demonstranten zur chinesischen Botschaft vordringen wollten.

In Tibet und den benachbarten Provinzen Südchinas herrschte anlässlich des Jahrestages ein erhöhtes Sicherheitsaufgebot. In Lhasa wurden Straßenkreuzungen von bewaffneten Polizisten bewacht. Die chinesische Polizei verwies Reporter der Nachrichtenagentur AFP aus einem tibetischen Kloster.

Parteiübergreifender Aufruf zur Einhaltung der Menschenrechte

Anlässlich des 50. Jahrestages des tibetischen Aufstands gegen China haben deutsche Politiker parteiübergreifend die Einhaltung der Menschenrechte in Tibet gefordert. CDU-Vize Roland Koch verlangte am Dienstag auch eine dauerhafte internationale Aufmerksamkeit für die Situation der Tibeter.

Die Grünen traten für die Wahrung der Menschenrechte ein. Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach (CDU) mahnte, die Szenen des gewaltsam niedergeschlagenen Aufstands vor 50 Jahren dürften sich nicht wiederholen. Politiker aus aller Welt richteten einen Appell an die Repräsentanten Chinas und Tibets und forderten eine friedliche Lösung der "Tibet-Frage".

Koch, der ein freundschaftliches Verhältnis zum Dalai Lama pflegt, zeigte sich besorgt, dass anlässlich des Jahrestages zum Aufstand erneut Gewalt in Tibet aufkommen könnte. Die Tibeter begehen den 10. März im Gedenken an den gewalttätig beendeten Aufstand als ihren Nationalfeiertag.

Es seien "viele der Freunde Tibets in der Welt heute und in den nächsten Tagen sehr nervös, dass erneut Menschen zu Schaden kommen", sagte der hessische Ministerpräsident. Er mahnte eine fortdauernde Beachtung für die Situation Tibets an: "Wenn es Aufmerksamkeit nur dann gibt, wenn Blut fließt, dann ist der friedliche Kampf der Tibeter verloren", sagte er.

Die Menschenrechts-Sprecherin der Unions-Fraktion im Bundestag, Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach, und der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Holger Haibach (beide CDU), forderten ein baldiges Ende der chinesischen "Repressionen gegenüber der tibetischen Sprache, Kultur und Religion".

China müsse die Bereitschaft zeigen, "ernsthafte und zielgerichtete Verhandlungen" mit dem Dalai Lama aufzunehmen. Seit einem halben Jahrhundert werde dem tibetischen Volk ein Leben in kultureller und religiöser Selbstbestimmung verweigert und der Dalai Lama von chinesischer Seite "auf unerträgliche Weise als Separatist verunglimpft", rügten die CDU-Politiker.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, kritisierte, die chinesische Propaganda verdrehe die Situation in Tibet. Sie stelle die chinesische Präsenz in Tibet als Befreiung von der vermeintlichen Knechtschaft durch den Dalai Lama dar und klinge "in den Ohren der Menschen vor Ort und in der Welt wie Hohn".

In einem Appell an die Vertreter Chinas und Tibets forderten mehr als 30 Politiker aus aller Welt eine friedliche Lösung der "Tibet-Frage", die dem Willen des tibetischen Volkes entspreche. Für Deutschland unterzeichneten der Vorsitzende des Tibet-Gesprächskreises im Bundestag, Holger Haibach (CDU), dessen Stellvertreter Harald Leibrecht (FDP), und Grünen-Chefin Claudia Roth die Erklärung.

(AFP)
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