Was die Bundesbürger zur Spionage-Affäre sagen Das deutsche Vertrauen in die USA sinkt

Berlin · Seit Wochen hält die Spionage-Affäre um den US-Geheimdienst NSA und den Whistleblower Edward Snowden die Öffentlichkeit in Atem. Und sie hat laut einer aktuellen Umfrage bereits ihre Spuren im Denken und Handeln der Deutschen hinterlassen. So ist etwa das Vertrauen in die USA und Großbritannien massiv gesunken.

Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann
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Foto: dpa, Jens Büttner

Aufgedeckte US-Spionageprogramme und ein flüchtender 29-Jähriger, den Washington wegen Geheimnisverrat sucht. Der Fall Edward Snowden hat alles, was sich ein moderner Agententhriller a la Hollywood wünschen würde. Nur geht es diesmal um die Realität und die Daten von Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Entsprechend erschüttert waren insbesondere die Politiker Europas über das Ausmaß der Spionage. In der Bevölkerung sieht es ähnlich aus.

Wie das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im neuen Deutschlandtrend von ARD und "Welt" feststellte, warn 61 Prozent der Befragten über das Ausmaß der US-Spionageaktivitäten überrascht gewesen und 62 Prozent vom Umstand, dass die Bundesrepublik zur Zielscheibe geworden ist. Dass es Spionage und Überwachung im Internet gibt, da geben sich die Deutschen aber schon lange keinen Illusionen mehr her.

80 Prozent wünschen sich deutlichere Kritik

Denn immerhin 55 Prozent der Befragten gaben an, dass man damit leben müsse, dass Geheimdienste großflächig Daten sammelten, wenn Anschläge verhindert werden sollen. Es ist zwar keine breite Mehrheit, aber eine ähnliche Denkweise, wie sie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auch in den USA vorherrschte. Denn damals gab es keinen enormen Aufschrei gegen die Verschärfung der Anti-Terrorgesetze, weil es als Notwendigkeit erachtet wurde.

Ganz so groß ist das Ausmaß in Deutschland nicht, und die Kritik etwa an der Vorratsdatenspeicherung zeigt, dass die Deutschen ihre Privatsphäre auch achten. Doch scheint manchem durchaus bewusst zu sein, dass auch hier Gefahr drohen könnte — etwa angesicht des versuchten Bombenanschlags am Bonner Hauptbahnhof und dem Aufspüren zum Beispiel der Sauerlandgruppe. Entsprechend hält eine gewisse Mehrheit eine geheimdienstliche Überwachung zur Terrorabwehr für nötig.

Auch glauben sogar 67 Prozent laut Deutschlandtrend, dass der deutsche Staat gar nicht die Macht habe, die eigene Bevölkerung vor dem Ausspähen durch amerikanische Geheimdienste zu schützen. Dennoch wünschen sich die meistens Befragten (immerhin 80 Prozent), dass Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlicher gegenüber den USA und auch Großbritannien, das ebenfalls Daten abgreift, Kritik äußert.

Merkel hatte das Thema beim Obama-Besuch angesprochen, doch war es eher versandet. Als schließlich das Ausmaß der Spionage bekannt wurde, hatte die Kanzlerin noch einmal mit Obama telefoniert und dieser ihr versichert, Bedenken der europäischen Partner sehr ernst zu nehmen. Doch die Skepsis in der deutschen Bevölkerung ist bereits groß.

Mehrheit hat nichts gegen Online-Überwachung

Nach dem Deutschlandtrend nannten zu Beginn der Amtszeit von Barack Obama bis zu 78 Prozent die USA als das Land, dem man vertrauen könne. In dieser Woche sagen das nur noch 49 Prozent, 47 Prozent beantworteten die Frage negativ. Und auch Großbritannien büßt demnach massiv an Vertrauen ein — ganz anders als etwa Frankreich.

Und auch das Verhalten im Netz scheint sich bei manch einem durch die Affäre doch zu verändern. Zu diesem Schluss kam zumindest eine Umfrage des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet, die vor zwei Tagen veröffentlicht wurde. Demnach gaben 39 Prozent der Befragten an, sich nun unsicherer als zuvor im Netz zu fühlen. Und fast ein Fünftel gab an, dass sie ihr Nutzungsverhalten nun geändert hätten.

Doch auch diese Umfrage zeigt, dass die Deutschen nicht prinzipiell gegen eine Online-Überwachung sind. 83 Prozent der Befragten würden dies erlauben, wenn es denn eine richterliche Kontrolle gebe. Aber 84 Prozent sagen auch klar, dass Sicherheitsdienste aus dem Ausland keinen Zugriff auf solche Daten bekommen sollten.

(das)
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