Gerüchte über Tod von Kim Jong Il Das Phantom von Pjöngjang

Düsseldorf (RP). Die Gerüchte über eine schwere Krankheit oder gar den Tod von Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il verstummen nicht. Eine südkoreanische Zeitung berichtet, Diplomaten hätten ihrem Staatsführer Kaviar und weitere Spezialitäten aus Russland mitgebracht.

Nordkoreas Propaganda-Fotos: Lebt Kim Jong Il noch?
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Düsseldorf. Das Dementi kam promt. Doch es kam gestern nicht aus der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang, sondern aus Kreisen in China, die mit dem kommunistischen Gesinnungsbruder in Nordkorea engen Kontakt pflegen. Kim Jong Il führe den Staat weiter mit fester Hand, Spekulationen über seinen Tod seien Blödsinn, verkündeten die Herolde.

Am Wochenende hatten vor allem japanische Medien über eine bevorstehende "wichtige Botschaft" des stalinistischen Regimes in Pjöngjang berichtet. Sollte der Tod des Diktators verkündet werden oder nur das Ende seiner Amtszeit aus Krankheitsgründen? Die südkoreanische Zeitung "Joong Ang Ilbo" berichtete gestern, der nordkoreanische Außenminister Pak Ui Chun habe jüngst nach seinem Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow am Moskauer Flughafen eingecheckt.

Doch die Delegation hätte nicht für das enorme Übergepäck bezahlen wollen, das aus Kaviar, eingelegtem Gemüse und Alkohol bestanden hätte. Alles Dinge, die zur Leibspeise Kim Jong Ils zählen. Lebt der Staatschef also noch, dessen Untertanen hungern, Gras und Wurzeln essen? Dem Land geht es schlecht. Immer wieder gibt es Hungersnöte. Mehr als ein Drittel der Kinder sind unterernährt.

Doch wo steckt eigentlich Kim Jong Il? Warum macht er sich rar? Was soll vertuscht, versteckt oder verdeckt werden? Man hat den 1,60 Meter großen Despoten auf Plateausohlen schon lange nicht mehr gesehen. Anfang September war er nicht zu den Feiern zum 60. Geburtstag Nordkoreas erschienen. Ungewöhnlich für den Staatschef, der Jubelveranstaltungen nie hatte missen wollen und der den inszenierten Beifall genoss wie Wasser nach der Wüstenwanderung.

Die später verbreiteten Fotos, die Kim bei einem Besuch einer Fraueneinheit der Armee zeigen, sind nach Einschätzung von Experten alt. Die dunkelgrünen Blätter im Hintergrund passten nicht zur Jahreszeit. Möglicherweise stammen die Fotos aus einem ganz anderen Jahr.

Lebt der Diktator überhaupt noch? Sind es Doppelgänger, die ab und an nach Dienstplan auftauchen und der Welt suggerieren sollen, der "Geliebte Führer" — so einer seiner vielen Titel — lässt die Untertanen nicht im Stich. Schon seit fünf Jahren sei Kim tot. Ein oder mehrere Doppelgänger führten die Geschäfte. Einer der wenigen Kim-Jong-Il-Spezialisten, der Japaner Toshimitsu Shigemura, hatte in seinem Buch "Der wahre Charakter des Kim Jong Il" diese These vertreten.

Nordkoreas starker Mann sei schon 2003 an schwerer Diabetes gestorben. Damals war Kim Jong Il für 42 Tage aus dem Blickfeld der Welt verschwunden. Als mögliche Gründe werden der Tod seiner Frau, Machtkämpfe innerhalb der Familie, gar die Furcht vor einem amerikanischen Angriff genannt.

Für Shigemura liegt der Fall anders. Er beruft sich auf Insider-Kreise in Nordkorea und Quellen des nordkoreanischen und japanischen Geheimdienstes. Danach sei der Diktator verstorben. Um der Welt den Popanz seiner Stärke und Vitalität vorzugaukeln, seien einige Doppelgänger eingesetzt worden, die gleichsam als Staatsschauspieler bei öffentlichen Anlässen aufträten.

Beweise dafür gibt es nicht, wohl Indizien. Eine Stimmanalyse zum Beispiel aus dem Jahr 2004 soll belegen, dass bei einem offiziellen Treffen der Mann neben dem damaligen japanischen Regierungschef Koizumi nicht Kim Jong Il ist.

Auch als im Mai 2008 Meldungen kursierten, Kim Jong Il sei bei einem Attentat getötet worden, Blutspuren seien in seinem Wagen gefunden worden, reagierte Pjöngjang nicht. Ein zweifelsfreier Beweis, dass der Diktator noch lebt, erfolgte auch nicht. So bleibt seine Gesundheit nach wie vor Staatsgeheimnis. Wer nachforscht, hat mit drakonischen Strafen zu rechnen. Meldungen über Leberleiden, Kreislauferkrankungen oder Diabetes bleiben unkommentiert.

Kim Jong Il ist ein Mann der Maßlosigkeit. Er setzte sich selbst die Denkmäler, weil er wohl skeptisch ist, dass die Nachwelt sie ihm zuerkennt. So sind überall Porträts des großen Führers zu sehen, der dafür sorgte, dass Nordkorea Atombomben besitzt, aber nicht genug Reis für die Menschen. Der Überläufer Hwang Jang-yop, der vor elf Jahren dem kommunistischen Steinzeitregime den Rücken gekehrt hatte, berichtete von Weinkellern mit mehr als 10 000 exquisiten Flaschen. Immer wieder tauchten in den Medien Berichte über sexuelle Exzesse und nächtliche Gelange mit Luxus-Spezialitäten auf.

Kim Jong Il — zum vierten Mal verheiratet — schwärmt für westliche Blondinen. Er hat eine Filmsammlung mit mehr als 20 000 Titeln, wozu nicht immer jugendfreie Streifen zählen. Seine Sammlung von Sportautos wird gerühmt, aber niemand weiß, wo er sie fährt. Doch er hat auch Flugangst und fährt in gepanzerten Zügen durchs Land — aus Angst vor Anschlägen.

Details aus dem Leben des Exzentrikers werden in sorgsam komponierten Biographien verbreitet. Danach wurde Kim Jong Il während der japanischen Besatzung in einem Widerstandslager am Fuße des Paektu-san geboren. Das Ereignis am 16. Februar 1942 wurde nach offizieller Darstellung von einem doppelten Regenbogen und einem heiligen Stern verkündet.

Westliche Quellen haben eine andere Version parat. Danach wurde Kim in einem sowjetischen Ausbildungslager in Wjatskoje bei Chabarowsk bereits 1941 geboren. Das gehe aus dem Geburtsregister hervor.

Kims Vater Kim Il Sung wurde nach dem Koreakrieg Ministerpräsident und später Präsident Nordkoreas. Er trieb den Personenkult ins Absurde: Schon Ende der 80er Jahre gab es mehr als 34 000 Denkmäler für ihn. Einfache Bänke, auf denen der "Große Führer" gesessen hatte, wurden mit Glasschutz für die Nachwelt konserviert. Nach seinem Tod 1994 wurde eine dreijährige Staatstrauer verhängt. 1997 übernahm Kim Jong Il das Amt des Generalsekretärs der koreanischen Arbeiterpartei. Er war an der Spitze Nordkoreas angekommen.

(RP)
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