Türkischer Ministerpräsident Davutoglu "Brüssels Nein zu EU-Beitritt der Türkei bereitete Boden für Paris-Anschlag"

Istanbul · Der türkische Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu sieht einen Grund für radikal-islamistische Gewalttaten wie die Terroranschläge von Paris in Widerständen aus Brüssel und in Europa gegen das Streben der Türkei für eine Aufnahme in die EU.

 Der türkische Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu sieht einen Teil der Schuld an dem Pariser Attentat in der EU selbst.

Der türkische Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu sieht einen Teil der Schuld an dem Pariser Attentat in der EU selbst.

Foto: ap

Das Ausmaß der derzeitigen "kulturellen Spannungen" hätte verhindert werden können, wenn es in den vergangenen Jahren keine Hürden für den türkischen EU-Beitrittswunsch gegeben hätte, sagte Davutoglu laut türkischen Presseberichten vom Montag. Davutoglu hatte am Sonntag in Paris am Trauermarsch für die Opfer der Terroranschläge der vergangenen Woche teilgenommen.

Die "Wurzel des Problems" liege darin, dass in Europa Politik mit dem Nein zur Türkei gemacht werde, sagte Davutoglu in Anspielung auf die Türkei-Skepsis bei europäischen Politikern und auf die Erfolge rechtspopulistischer Parteien in der EU. Der türkische Regierungschef betonte, "Hetze" gegen andere Kulturen in Europa habe zur Radikalisierung muslimischer Jugendlicher beigetragen. Die Attentäter von Paris seien nicht in muslimischen Ländern aufgewachsen, sondern in Frankreich.

Der CDU-Politiker Polenz wies die Äußerungen Davutoglus zurück. Die Stagnation im Verhandlungsprozess zwischen der EU und der Türkei beruhe auch darauf, dass die Reformanstrengungen Ankaras "seit einigen Jahren nahezu zum Erliegen gekommen" sei, sagte Polenz dem Berliner "Tagesspiegel". "Jeder soll zunächst vor seiner eigenen Tür kehren", so der frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Polenz sagte weiter, die türkische Opposition sei wegen einer Islamisierung des Landes besorgt.

Davutoglu ist erstmals seit seiner Amtsübernahme im vergangenen Jahr zu Besuch in Deutschland. Der frühere Außenminister wurde am Montag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Kanzleramt mit militärischen Ehren empfangen. Beim anschließenden Gespräch soll es unter anderem um den Bürgerkrieg in Syrien, die Verhandlungen über eine türkische Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) und die Anti-Islam-Bewegung Pegida gehen.

Am Abend will Davutoglu in Berlin auch eine Rede vor Landsleuten halten. Sein Amtsvorgänger, der heutige Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, hatte solche Auftritte genutzt, um Türken und türkischstämmige Deutsche vor "Assimilierung" zu warnen. In Deutschland leben annähernd drei Millionen Menschen türkischer Herkunft. Mehr als die Hälfte von ihnen hat auch die deutsche Staatsbürgerschaft.

(KNA)
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