Fall Deniz Yücel EU-Kommission fordert von Türkei Einhaltung der Meinungsfreiheit

Berlin · In den Fall des verhafteten "Welt"-Journalisten Deniz Yücel hat sich nun die EU-Kommission eingeschaltet. Sie hat die Türkei zur Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien aufgefordert.

 Am Dienstag, 28. Februar, protestieren Menschen vor der türkischen Botschaft in Berlin für die Freilassung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel.

Am Dienstag, 28. Februar, protestieren Menschen vor der türkischen Botschaft in Berlin für die Freilassung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel.

Foto: dpa, fis

Seit mehr als zwei Wochen sitzt der Türkei-Korrespondent der Tageszeitung "Welt" in Istanbul in Haft. Wie vielen weiteren Journalisten, die seit dem Putschversuch im Sommer in der Türkei festgenommen wurden, wird Yücel Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Journalisten und Politiker in Deutschland protestieren seit Tagen für die Freilassung Yücels.

Jetzt hat sich auch die EU-Kommission zu dem Fall geäußert: "Die Europäische Kommission ist sehr besorgt über die große Zahl an Verhaftungen von Journalisten in der Türkei und der selektiven Anwendung der Anti-Terror-Gesetzgebung", sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn der "Welt". Die Inhaftierung Yücels belastet die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara schwer.

"Der Fall von Deniz Yücel zeigt leider, wie berechtigt diese Sorgen sind", sagte Hahn, der auch für die seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verantwortlich ist. "Die EU hat wiederholt betont, dass die Türkei als Kandidatenland die höchsten demokratischen und rechtsstaatlichen Standards einhalten muss, insbesondere was die Meinungs- und Medienfreiheit betrifft", sagte Hahn.

Laut Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) steht das deutsch-türkische Verhältnis "vor einer seiner größten Belastungsproben in der Gegenwart". Den Haftbefehl gegen Yücel kritisierte Gabriel am Dienstag als "unnötig" und "unangemessen". Sein Ministerium habe den türkischen Botschafter zum Gespräch geladen, um ihm die deutsche Haltung deutlich zu machen.

Parteiübergreifend meldeten sich Politiker mit der Forderung nach scharfen Konsequenzen für Ankara zu Wort. "Die Bundesregierung muss ein Einreiseverbot für Erdogan und die türkische Regierung in Deutschland verhängen", sagte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen der "Bild"-Zeitung. Sie forderte die Prüfung von "Sanktionen" gegen Präsident Recep Tayyip "Erdogan und seinen Clan". Überdies müssten die Verhandlungen über einen EU-Beitritt und die Ausweitung der Zollunion mit Ankara "sofort auf Eis gelegt werden" und die Bundeswehr müsse "aus der Türkei abgezogen werden".

Der CSU-Außenexperte Hans-Peter Uhl sagte mit Blick auf einen möglichen Wahlkampfauftritt Erdogans vor dem umstrittenen Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems im April in der Türkei: "Ein Wahlkampfauftritt Erdogans in Deutschland kommt überhaupt nicht in Frage — erst recht nicht nach dem Fall Yücel." Mit seiner "autokratischen und anti-demokratischen Politik" und seinen Plänen für eine "Präsidial-Diktatur" treibe Erdogan die "Türkei in den Ruin".

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), sagte, die Inhaftierung Yücels sei ein "klarer Fall von Willkür-Justiz". Für ein Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder sprach sich auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner aus.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatten bereits am Dienstag die Türkei zu Yücels Freilassung aufgefordert. Eine Annäherung der Türkei an die EU werde durch den Fall Yücel "nahezu unmöglich", sagte Maas der "Welt".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Inhaftierung am Montagabend als "bitter und enttäuschend" bezeichnet und die Hoffnung geäußert, "dass er bald seine Freiheit zurückerlangt".

Grüne und Linke warfen Merkel daraufhin vor, sich aus politischer Rücksichtnahme gegenüber Ankara nicht entschieden genug für Yücel einzusetzen. Die Linke beantragte eine Aktuelle Stunde des Bundestages in dem Fall. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte unserer Redaktion: "Es geht um die Verteidigung der Pressefreiheit und die Werte Europas."

Der Ex-Chefredakteur der linksliberalen türkischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, schloss eine Freilassung von inhaftierten Journalisten in der Türkei vor dem Verfassungsreferendum aus. "Vor dem Referendum am 16. April gibt es meines Erachtens keine Chance auf Freilassung. Die Kollegen wissen, dass die türkische Regierung sie als Geiseln genommen hat", sagte Dündar der "Welt" vom Mittwoch.

Ein Richter in Istanbul hatte am Montagabend Untersuchungshaft gegen Yücel verhängt. Nach Angaben der "Welt" werden ihm Aufwiegelung der Bevölkerung und Terrorpropaganda vorgeworfen. Beanstandet würden Artikel zum Kurdenkonflikt sowie zum Putschversuch in der Türkei vom vergangenen Juli. Yücel war vor seiner Inhaftierung bereits zwei Wochen in Polizeigewahrsam.

(rent/AFP)
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