Inhaftierter Journalist Deniz Yücel meldet sich aus der Haft - und greift Erdogan an

Istanbul · Mit einem Zeitungsbeitrag hat sich der in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel zu Wort gemeldet. Darin wirft er Präsident Erdogan vor, Staatsanwälten und Richtern in seinem Fall "quasi Anordnungen" zu erteilen.

 Journalist Deniz Yücel (Archiv).

Journalist Deniz Yücel (Archiv).

Foto: dpa

Der in der Türkei inhaftierte "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel hat "Vorverurteilungen" durch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert und einen fairen Prozess gefordert. "In Ländern wie Aserbaidschan oder Weißrussland" möge es natürlich erscheinen, "dass die oberste Staatsführung persönlich eine inhaftierte Person öffentlich vorverurteilt und den zuständigen Staatsanwälten und Richtern quasi Anweisungen erteilt", hieß es in einem Beitrag Yücels, den die "Welt" veröffentlichte. Für die "zivilisierte Welt" sei ein solcher Vorgang aber befremdlich.

Yücel sitzt seit Februar in der Türkei wegen angeblicher Terrorunterstützung in Haft. Erdogan hat den deutsch-türkischen Journalisten wiederholt beschuldigt, ein "Terrorist" und "Agent" zu sein. Nach dem Protokoll der Verhandlung, bei der ein Gericht Ende Februar Untersuchungshaft gegen Yücel verhängt hatte, wird Yücel Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Eine Anklageschrift liegt weiterhin nicht vor. Mitte April hatte Erdogan ausgeschlossen, dass Yücel an Deutschland überstellt wird, "solange ich in diesem Amt bin".

Yücel schrieb in dem Artikel, den er seinen Anwälten im Gefängnis diktierte, er wolle "nirgendwohin 'ausgeliefert' werden". Für ihn als türkischen Staatsbürger gebe auch gar "keine Adresse, an die man mich 'ausliefern' könnte". "Das Einzige, was ich verlange, ist ein fairer Prozess". In dem Prozess sollten das geltende türkische Recht und die universellen Menschenrechte und Rechtsnormen berücksichtigt "und nicht mit Füßen getreten werden".

Ein solcher Prozess könne "gar nicht anders enden als mit einem Freispruch", schrieb Yücel. Davon sei er "restlos überzeugt". Der Journalist kündigte an, er werde das Gefängnis "nicht durch eine Hintertür verlassen, sondern durch jene Vordertür, durch die ich es betreten habe".

"Und ich werde in diesem Land den Kampf um Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit, der mit der offensichtlich illegitimen Verfassungsänderung mitnichten beendet ist, mit Gottes Hilfe auch in Zukunft aus nächster Nähe journalistisch begleiten", fügte Yücel mit Blick auf das umstrittene Verfassungsreferendum zur Stärkung der Macht des türkischen Präsidenten hinzu, das Erdogan Mitte April knapp gewonnen hatte.

Yücel hatte sich Mitte Februar freiwillig der Polizei in Istanbul zur Befragung gestellt und war daraufhin in Gewahrsam genommen worden. Die Inhaftierung Yücels hat zu schweren Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei geführt. Die Bundesregierung fordert die Freilassung des Journalisten.

Die "Welt" schrieb in Anmerkungen zu Yücels Bericht: "Es gehört zu den gängigen Regeln des Medienbetriebs, dass sich Betroffene zu einem laufenden Verfahren nicht äußern. Bei Deniz Yücel wäre das umso verständlicher, als seine Strafsache von starken Spannungen zwischen Europa und der Türkei überschattet wird. Aber Deniz will sich äußern und er hat ein Recht darauf."

(wer/dpa/afp)
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