Debatte in den USA Der Reichtum der Clintons

Washington · Bill und Hillary Clinton haben etwa 100 Millionen Dollar Vermögen, sie nimmt pro Rede ein sechsstelliges Honorar. Mit Blick auf den Wahlkampf 2016 sorgt das für heftige Debatten, auch wenn den Amerikanern Sozialneid fremd ist.

Debatte in den USA: Der Reichtum der Clintons
Foto: Ron Sachs/Pool

Es begann mit einem Versprecher. Hillary Clinton saß in ihrer Villa im Washingtoner Nobelviertel Georgetown, cremefarbene Sofas, Kandelaber an den Wänden, und ließ sich von Diane Sawyer, der Starmoderatorin des Fernsehkanals ABC, interviewen. "Als wir aus dem Weißen Haus auszogen", sagte sie, "hatten wir Schulden; wir waren total pleite." "Dead broke" - wer den englischen Originalbegriff hört, denkt an Obdachlose unter Brücken, an die Immobilienkrise, die eine Welle von Zwangsversteigerungen durchs Land rollen ließ, als die Spekulationsblase platzte. An Bill und Hillary Clinton denkt er nicht.

Nun, sie habe das vielleicht unglücklich formuliert, ruderte die 66-Jährige zurück, als sich Spötter zu Wort meldeten. Sie habe skizzieren wollen, dass es auch Tiefen gab in ihrem Leben, das Pekuniäre eingeschlossen. Es war zu spät: Auf einmal wird das Geld der Clintons zum großen Streitthema, als hätte die Ex-Außenministerin einen Bumerang geworfen, der direkt zurückfliegt.

Experten schätzen das Vermögen des Ehepaars auf rund 100 Millionen Dollar (81,4 Millionen Euro). Das allein wäre noch kein Grund für eine Kontroverse. Neid auf die Besitztümer anderer gehört eher nicht zur US-Debattenkultur. Doch politisch ist die Sache brisant. Der Wahlkampf 2016 wirft seine Schatten voraus, und Hillary Clinton, mögliche, ja wahrscheinliche Präsidentschaftskandidatin, will sich als Champion der Mittelschichten profilieren.

Sie stammt selber aus einer typischen Mittelschichtenfamilie, aus Park Ridge im grünen Vorortgürtel um Chicago. Ihr Gatte Bill, aufgewachsen im ländlichen Arkansas, verbrachte eine Kindheit in Armut, drangsaliert von einem alkoholsüchtigen Stiefvater. Eigentlich symbolisieren beide den legendenumflorten amerikanischen Traum, wonach es jeder mit ein bisschen Glück schaffen kann, wenn er sich nur anstrengt. Und dennoch versuchen die Republikaner, Hillary in dieselbe Ecke zu stellen, in der Mitt Romney 2012 das Duell gegen Barack Obama verlor: zu abgehoben, zu weich gebettet, um noch zu wissen, was Joe Normalverbraucher umtreibt.

Tatsächlich war der Clinton'sche Schuldenberg auf zwölf Millionen Dollar angewachsen, als Bill im Januar 2001 das Oval Office verließ. In erster Linie lag es an unbeglichenen Anwaltsrechnungen, eine Folge der präsidialen Affäre mit Monica Lewinsky. Doch der Staatschef a.D. verstand es, seinen Ruhm zu versilbern. 13 Millionen Dollar an Redehonoraren kassierte Bill Clinton allein in den ersten zwölf Monaten nach seinem Abschied von der Pennsylvania Avenue; die roten Zahlen waren schnell vergessen. Als seine Frau den Ministerposten im State Department aufgab, stand sie ihm in nichts nach. Eine Hillary-Clinton-Rede kostet den Veranstalter im Schnitt 200 000 Dollar, fast das Vierfache des mittleren jährlichen Haushaltseinkommens in den USA.

Widerspruch regt sich vor allem, weil die frühere First Lady keine Ausnahmen zu kennen scheint. Zu denen, die tief in die Tasche greifen, um sie zu verpflichten, gehören acht amerikanische Universitäten. Ein heikles Kapitel, schon wegen der horrenden College-Gebühren. Sie zwingen Studierende, Kredite aufzunehmen, so dass sie mit einer fünf-, oft sogar sechsstelligen Schuldenlast auf dem Buckel ins Berufsleben starten. In Las Vegas haben Studenten der University of Nevada denn auch einen offenen Brief an Hillary Clinton geschrieben: Falls sie nicht verzichte auf das üppige Honorar, werde man ihren Auftritt im Oktober mit Protesten begleiten. Nicht weniger umstritten ist die Spitzengage, die sie einstrich, als sie auf einem Kongress der Bank Goldman Sachs die Rolle des Stargasts spielte - 400 000 Dollar. Die Aufregung darüber, sie hat auch mit der Seelenlage der Demokraten zu tun. Wenn Clinton das Rennen ums Weiße Haus startet, scheint sie in den eigenen Reihen konkurrenzlos. Mit einer Ausnahme: Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts, könnte ihr Paroli bieten. Warrens Leitmotiv ist die wachsende Kluft zwischen dem "Ein-Prozent-Amerika" der Wohlhabendsten und dem großen Rest. Die frühere Harvard-Professorin findet Zuspruch, wenn sie gegen Wall-Street-Banker wettert, die das Land in den Crash stürzten und nicht geradestehen wollten für ihre Fehler. "Hillary wäre gut beraten, ihre innere Elizabeth Warren zu entdecken", sagt Jim Dean, Direktor des progressiven Aktionskomitees "Democracy for America".

Donna Brazile dagegen spricht von Sexismus, von der Herabsetzung einer Politikerin, die sich nicht anders verhalte als ihre männlichen Kollegen, dafür aber durch den Kakao gezogen werde. "Was ist falsch daran", fragt Brazile, eine Parteistrategin der Demokraten, "was ist falsch, wenn eine Frau genauso viel Geld machen kann wie ein Mann?"

(RP)
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