Zhang Hongbing und die chinesische Kulturrevolution Der Sohn, der seine Mutter denunzierte

Peking · Als er 16 Jahre alt war, denunzierte Zhang Hongbing seine Mutter, weil sie das Mao-Regime kritisierte. Sie wurde daraufhin erschossen. Nun kämpft er um den Erhalt ihres Grabes. Einer britischen Zeitung hat er jetzt seine Geschichte erzählt.

Zhang Hongbing lebt seit 44 Jahre mit dem Wissen, die eigene Mutter auf dem Gewissen zu haben.

Zhang Hongbing lebt seit 44 Jahre mit dem Wissen, die eigene Mutter auf dem Gewissen zu haben.

Foto: Screenshot Guardian

44 Jahre ist es mittlerweile her, dass Zhang Hongbin seine Mutter denunzierte. Er war Mao mit Haut und Haar verfallen. Nun ist er 60. Und räumt mit seiner Geschichte auf. In einem Video ist zu sehen, wie er zwischen Häusern hindurch zu einer Stelle läuft, an der ein einzelner Stein aufragt. "Hier ist das Grab meiner Mutter", sagt er dem Reporter vom britischen "Guardian". Die Mutter, Fang Zhongmou, war 44 Jahre alt, als sie starb. Sie wurde erschossen, weil sie den Führer der chinesischen Kulturrevolution, Mao Tse-tung, kritisiert hatte.

 Dieses Bild zeigt Zhang Hongbing am Grab seiner Mutter. Es stammt aus einem Video des britischen "Guardian".

Dieses Bild zeigt Zhang Hongbing am Grab seiner Mutter. Es stammt aus einem Video des britischen "Guardian".

Foto: Screenshot guardian.co.uk

Ihr Schicksal ist eines von vielen aus dieser Zeit, und doch ist es ein besonderes: Denunziert hat sie nicht ein Nachbar oder ein entfernter Bekannter, sondern ihr eigener Sohn — gemeinsam mit seinem Vater. Mehr als vier Jahrzehnte später versucht Zhang Hongbing, seine Schuld aufzuarbeiten. Er setzt alles daran, das Grab seiner Mutter als Kulturstätte zu erhalten. Ohne offizielle Anerkennung, so fürchtet er, würde es bald verschwinden.

"Ich dachte, das Ganze sei etwas Großes"

Als die Kulturrevolution über sie hereinbrach, erzählt der Sohn, inzwischen Anwalt, dem "Guardian", da waren die Kinder alle begeistert. Sie änderten ihre Namen. Er selbst habe sich damals "roter Soldat" genannt. "Ich dachte, das Ganze sei etwas Großes — ein beispielloser Moment in der Geschichte", rechtfertigt sich der heute 60-Jährige.

Die Schuld scheint schwer auf ihm zu lasten, in dem Video auf der Webseite der Zeitung sieht man, wie er sich die Tränen von den Augen wischt, als er am Grab seiner Mutter steht. Als seine Mutter den Personenkult um Mao kritisierte, hörte sie von allen Seiten ihrer Familie Kritik, denn sie stand ohnehin unter Beobachtung des Regimes. Und auch der Sohn konnte seine Mutter nicht verstehen. "Ich fühlte, das ist nicht meine Mutter. Das war keine Person. Sie hatte sich plötzlich in ein Monster verwandelt. Sie wurde zum Klassenfeind, der sein blutiges Maul öffnete", erzählt er.

Ihm war klar, dass seine Anklage ihren Tod bedeuten würde. Konterrevolutionäre, das wusste man, werden erschossen. So geschah es auch: Sie wurde abgeholt, geschlagen und per Truck vom Wohnhaus weggebracht. Außerhalb des Ortes sei sie dann erschossen worden. Das letzte Mal sah er seine Mutter knieend, den sicheren Tod erwartend.

Das Grab an der Stelle der Hinrichtung

Die meisten Kinder, so sagt Yin Hongbiao, ein chinesischer Historiker, dem "Guardian", seien zu dieser Zeit um 1970 unter politischem Druck gewesen. Und Michel Bonnin von der Tsinghua Universität sagt: "Die Kinder mit 'schlechten Eltern' haben viel gelitten. Sie nahmen eher ihren Eltern etwas übel als dem System, von dem sie täglich eine Gehirnwäsche verpasst bekamen."

Er fügt hinzu: "Sie wurden dazu ermuntert, ihre Eltern zu denunzieren, um eine klare Linie zwischen sich und den Feind zu ziehen. Das war der einzige Weg, sich selbst zu schützen."

Das Grab von Fang Zhongmou wurde nur wenige Meter von dem Ort entfernt erreichtet, wo die Frau erschossen worden war. Jener Ort, wo heute Wohnhäuser stehen, Bretter lagern und Hühner umherlaufen. Und jener Ort, den ihr Sohn nun erhalten will.

(das)
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