Verzögerung sorgt für Aufsehen Deutschland schließt sich Syrien-Erklärung an

Vilnius/Washington · Deutschlands Weigerung, die Syrien-Erklärung von Petersburg sofort zu unterzeichnen, sorgte für Aufsehen. Mit einem Tag Verspätung schließt sich Berlin den USA und den großen europäischen Nachbarn an. Die Opposition sieht einen "gefährlichen Zickzackkurs" der Kanzlerin.

Im Ringen um eine gemeinsame Position im Syrien-Konflikt hat sich Deutschland erst nachträglich einer von den USA eingebrachten Erklärung angeschlossen. Vorausgegangen war am Samstag die Einigung der EU-Außenminister in Vilnius auf eine gemeinsame Haltung zu den Angriffsplänen der USA gegen das Assad-Regime.

Die Europäer fordern Washington auf, mit einem Militärschlag bis zur Vorlage eines UN-Berichts über den Einsatz von Chemiewaffen zu warten. Aus Sicht der USA ist die Verantwortung des Regimes allerdings schon jetzt ausreichend belegt.

Die Weigerung Deutschlands, sich noch am Freitag der am Rande des G20-Gipfels in St. Petersburg präsentierten Erklärung anzuschließen, sorgte für Aufsehen. Während die Bundesregierung darauf verwies, zunächst einen innereuropäischen Konsens erzielen zu wollen, billigten die anderen großen EU-Staaten Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien nach US-Angaben unmittelbar die Erklärung.

Mit Blick auf den mutmaßlichen Giftgas-Einsatz bei Damaskus wird darin zu "einer starken internationalen Antwort auf diesen schweren Verstoß gegen weltweit gültige Normen" aufgerufen. Ein Militärschlag wird in der Erklärung nicht ausdrücklich erwähnt.

2011 hatte Deutschland mit seiner Entscheidung zu einer Libyen-Resolution im Weltsicherheitsrat für Befremden gesorgt. Damals wurde ein Waffenembargo bestätigt und eine Flugverbotszone erlaubt.
Deutschland stimmte dieser Resolution nicht zu, sondern enthielt sich - ebenso wie China und Russland.

Merkel begrüßte am Samstag die gemeinsame Erklärung der EU-Außenminister. "Das Signal eines in seiner Haltung zu diesem schrecklichen Konflikt geeinten Europas ist von unschätzbarer Bedeutung", sagte sie nach Angaben des Bundespresseamtes. Der Erfolg des Treffens in Vilnius zeige, wie richtig die deutsche Entscheidung beim G20-Gipfel in St. Petersburg gewesen sei, zunächst auf eine gemeinsame europäische Position hinzuwirken.

Die Opposition kritisierte Merkels Haltung im Syrien-Konflikt. "Was ist das denn für ein abenteuerlicher Zickzackkurs?", fragte Grünen-Parteichefin Claudia Roth in Bamberg. "Es braucht endlich und ganz klar eine Antwort der internationalen Staatengemeinschaft, aber es braucht eine gemeinsame Antwort." Dabei sollte es etwa um Verhandlungen, Sanktionen und Flüchtlingshilfe gehen. Die Linke sprach von einem Beitritt Deutschlands "in Obamas Koalition der Kriegswilligen".

In der Erklärung der EU-Minister heißt es, das Assad-Regime verfüge als einziges über die Bestandteile der Chemiewaffen und sei auch zu deren Einsatz in größeren Mengen in der Lage. "Eine klare und starke Antwort ist wichtig, um klarzustellen, dass solche Verbrechen inakzeptabel sind und sie nicht ungestraft bleiben können."

Der Wunsch nach einem Aufschub der US-Militäraktion bis zur Vorlage des Berichts der UN-Chemiewaffeninspekteure taucht im Text der Erklärung nur indirekt auf. Darin heißt es, die Minister hofften "so rasch wie möglich" auf einen vorläufigen Bericht der Inspekteure und "begrüßen die Erklärung von Präsident (François) Hollande, vor einem möglichen Handeln diesen Bericht abzuwarten".

US-Präsident Barack Obama legte am Samstag in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache Details der Angriffspläne offen. Ziel sei vor allem, das Chemiewaffenpotenzial von Syriens Präsident Baschar al-Assad zu zerschlagen, erklärte Obama.

Vor dem Angriff sucht der Präsident die Rückendeckung des Kongresses. Eine Zustimmung gilt nicht als sicher, auch weil es in der Bevölkerung große Vorbehalten gegen eine militärische Intervention gibt. Dass Obama mit seiner Drohung an Assad ernstmachen könnte, lässt sich aus der Ankündigung einer Erklärung an die Nation am kommenden Dienstag ableiten.

(dpa)
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