Ausspäh-Skandal Die NSA-Affäre entzweit Berlin und Washington weiter

Berlin/Washington · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht angesichts der Geheimdienst-Spähaffäre weiter Meinungsunterschiede und Probleme im Verhältnis zu den USA. Es gebe "noch einige Schwierigkeiten zu überwinden", sagte Merkel am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Präsident Barack Obama in Washington.

Merkel zu Gast bei Obama
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Bei Fragen der Verhältnismäßigkeit von Überwachung lägen die Meinungen zum Teil auseinander. Auch Obama räumte ein, beide Länder seien in diesen Fragen nicht ganz auf einer Linie. Er versprach aber, Ausländer und Deutsche stärker vor massenhaften Spionageaktivitäten des Geheimdienstes NSA zu bewahren.

Vor etwa einem Jahr war bekanntgeworden, dass die National Security Agency (NSA) im großen Stil deutsche Daten abschöpft. Die US-Geheimdienstler hörten jahrelang auch Merkels Handy ab. Das deutsch-amerikanische Verhältnis hat unter der NSA-Affäre gelitten. Merkel sagte, beide Seiten gingen nicht einfach zur Tagesordnung über. "Es ist auch gut, dass wir erste Schritte unternehmen, um das, was uns heute noch trennt - in der Meinung über Verhältnismäßigkeit und anderes - überwinden wollen. Daran werden wir arbeiten."

Es gebe eine enge Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten, diese sei im Kampf gegen Terrorismus unverzichtbar, betonte die Kanzlerin. Dennoch gebe es unterschiedliche Sichtweisen, was die Balance zwischen dem Schutz der Bürger vor Gefahren und der Wahrung privater Freiheit angehe. Um die Meinungsunterschiede zu überwinden, seien weitere tiefe Diskussionen zwischen beiden Ländern nötig, aber auch zwischen der EU und den USA. "Ich habe heute die Botschaft mitgenommen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika zu dieser Diskussion bereit sind." Geplant seien etwa ein "Cyber-Dialog" zwischen den Staaten, aber auch ein engerer Austausch der Parlamente.

Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann
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Foto: dpa, Jens Büttner

Obama: "Arbeit der NSA wird falsch wahrgenommen"

Obama sagte, die Arbeit der NSA werde zum Teil falsch wahrgenommen. "Gewöhnliche Deutsche sind nicht Ziel der laufenden Überwachung", versicherte er. "Deutschland ist einer unserer engsten Verbündeten und unserer engsten Freunde." Es schmerze ihn, dass die NSA-Aktivitäten das Verhältnis belastet hätten. Die USA nähmen die Sorgen der Deutschen "sehr ernst" und bemühten sich, deren Privatsphäre auch mit rechtlichen Grundlagen zu schützen.

Zu der strittigen Frage, ob der Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss in Deutschland aussagen könnte, äußerten sich Merkel und Obama nicht. Snowden hatte geheime NSA-Dokumente an Journalisten übergeben und die Affäre damit ins Rollen gebracht. Die USA suchen ihn per Haftbefehl, vorübergehend hat er Asyl in Russland.

Der Untersuchungsausschuss soll die Vorgänge aufarbeiten. Die Opposition will Snowden in dem Gremium in Berlin als Zeugen anhören. Die Regierung lehnte das in einem Gutachten für den Ausschuss aber ab. Der Ausschuss erhielt den Regierungsbericht am Freitag. Medien hatten bereits am Mittwoch über Kernaussagen daraus berichtet, was bei den Abgeordneten für Verärgerung sorgte.

In der Stellungnahme der Regierung heißt es unter anderem, eine Vernehmung Snowdens in Deutschland würde sehr wahrscheinlich zu schweren und dauerhaften Belastungen der deutsch-amerikanischen Beziehungen führen. Denkbar wäre aber eine Befragung des Amerikaners im Ausland. Die Regierung verweist außerdem auf ein Rechtsgutachten aus den USA, wonach sich der Ausschuss nach US-Recht durch eine Vernehmung Snowdens strafbar machen würde.

Oppositionspolitiker reagierten empört. Die Linke warf der Regierung vor, sie wolle mit ihrer Stellungnahme Druck auf die Abgeordneten im NSA-Ausschuss ausüben und eine Drohkulisse aufbauen. Die Grünen kündigten erneut an, notfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um eine Vernehmung Snowdens in Berlin durchzusetzen. Der Ausschussvorsitzende, Patrick Sensburg (CDU), warb für eine Video-Befragung des Amerikaners. Die Opposition lehnt eine Befragung Snowdens auf russischem Boden bislang aber ab - auch per Video.

(dpa)
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