US-Haushaltsstreit Die Republikaner haben sich verzockt

Im US-Finanzstreit tickt der Countdown. Wenige Stunden vor dem Ablauf der Frist keimt zumindest im Senat Hoffnung auf, dass die Staatspleite verhindert werden kann. Zünglein an der Waage bleiben jedoch die rechten Fundamentalisten der Tea Party. Ihr anti-staatlicher Kurs könnte die Republikaner zerreißen.

Shutdown in den USA: Ein Land war lahmgelegt
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Demokraten und Republikaner im US-Senat zeigen sich optimistisch. Zwei Tage vor der befürchteten Staatspleite gab es zwischen Demokraten und Republikanern im US-Senat zumindest eine Annäherung. Er soll der US-Verwaltung ermöglichen, vorübergehend wieder die Geschäfte aufzunehmen und eine Lösung im Streit um das Schuldenlimit vorzeichnen.

Die Zeit drängt. Am Donnerstag läuft die Frist ab. Haben die USA bis zu diesem Tag nicht die Schuldenobergrenze erhöht, wäre das formal die Staatspleite. Die Weltwirtschaft befürchtet eine schwere Rezession mit noch größeren Verwerfungen als nach Lehman. Die USA könnten ihre Schulden nicht mehr bedienen.

Vielleicht morgen ein fröhlicher Tag

Über Tage und Wochen vergruben sich Demokraten und Republikaner in starren Positionen. Bis am Montag ein Silberstreif am Horizont auftauchte. Im Senat ebneten die alten Haudegen Mitch McConnell (71, Republikaner) und Harry Reid (73, Demokraten) den Weg. Eigentlich heißt es, die beiden seien sich spinnefeind. Am Montag aber reden sie voneinander als langjährigen, guten Freunden.

Nach Informationen der Washington Post sieht die Rahmenvereinbarung aus dem Senat vor, die Geschäfte der US-Regierung bis zum 15. Januar zu finanzieren und die Schuldenobergrenze bis zum 15. Februar anzuheben. In trockenen Tüchern ist noch nichts. Doch Reid schürt die Hoffnungen: "Vielleicht wird morgen ein fröhlicher Tag."

Viel hängt am Block der Radikalen

In letzter Minute könnte das doch noch eine Lösung im verfahrenen Haushaltsstreit bringen. Doch bildet der Senat nur die eine Kammer des amerikanischen Parlaments. Einem Kompromiss muss auch das von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus zustimmen.

Die republikanische Führung der Kongresskammer griff am Dienstag weitgehend einen Kompromissplan aus dem Senat auf, der eine Erhöhung des Schuldenlimits sowie einen Übergangshaushalt bis Anfang kommenden Jahres vorsieht. Allerdings verlangten die Republikaner im Repräsentantenhaus stärkere Einschnitte bei der Gesundheitsreform von Barack Obama — das war für den Präsidenten und seine Demokraten nicht akzeptabel.

Ob sich die Anhänger der Tea-Party-Bewegung, dem ideologisch hochgerüsteten rechten Flügel der Republikaner im Repräsentantenhaus, überzeugen lassen, ist zudem noch völlig unklar. Etwa 50 Abgeordnete sind es, deren strammer Kurs die USA in die Haushaltskrise führte. Und für die auch das Undenkbare keineswegs undenkbar ist: die Staatspleite.

Eine tragische Figur steht bereits fest

Die republikanische Partei führen sie dabei am Nasenring durch die Manege. Deren Fraktionschef John Boehner gilt bereits als tragischste Figur in dem Konflikt. Weil er eine Spaltung der Partei nicht riskieren will, versucht er zwischen Moderaten und Radikalen zu vermitteln. Das Problem: Radikale wie die Vertreter der Tea-Party sind für Kompromisse schlecht zu haben. Die Folge: Wollen die moderaten Republikaner um Boehner den Staatsbankrott verhindern, müssten sie zusammen mit den Demokraten stimmen.

Eine Umfrage für das Pew Research Center bildete unlängst die Neigung der Tea Party zur politischen Betonierung in Zahlen ab. Rund dreimal so viele Anhänger verlangten von ihren Politikern, ihren Prinzipien treu zu bleiben — auch wenn das den Shutdown zur Folge hat.

Die alte Taktik zieht nicht mehr

Einer dieser Tea-Party-Vertreter ist der republikanische Abgeordnete Joe Barton. "Kein Kompromiss ist besser als ein schlechter Kompromiss." Die konservativen Abgeordneten seien sehr skeptisch. Ein Plan zur Anhebung der staatlichen Verschuldungsgrenze müsse auf jeden Fall auch Haushaltseinschnitte beinhalten. Im Übrigen habe die US-Regierung noch mehr finanziellen Spielraum als sie offiziell zugebe, mutmaßte er.

2011 waren die Republikaner mit dieser Verweigerungs-Taktik noch gut gefahren. Im damaligen Streit um die Fiskalklippe ließ sich Präsident Barack Obama zu mehreren Zugeständnissen nötigen. 2013 legten die Republikaner auf Betreiben der Tea Party noch eine Schippe drauf und verlangten Änderungen an Obamas Gesundheitsreform.

In den Umfragen ging es steil bergab

Die Demokraten stellten sich quer. Nicht nur, weil die Reform ein Herzstück von Obamas Präsidentschaft ist, sondern auch, weil sie die Lehren aus dem letzten Fall gezogen hatten. Ein weiteres Mal erpressen lassen wollten sie sich nicht. Auch mit Blick auf die nächstes Jahr anstehenden Wahlen für den Kongress.

Die Strategie ging auf. Die Öffentlichkeit macht insbesondere die republikanische Partei für den Stillstand der Politik verantwortlich. In Umfragen sind sie auf ein historisches Tief abgestürzt, verloren in den vergangenen Wochen zehn Prozentpunkte.

"Lemminge mit Sprengstoffwesten"

Während die Demokraten Geschlossenheit demonstrierten, zerrieb es die Republikaner zwischen den zerstrittenen Flügeln. Die Kampagne der Tea Party gegen "Obamacare" ging etlichen moderaten Vertretern zu weit. Als "Lemminge mit Sprengstoffwesten" beschimpfte der republikanische Abgeordnete Devin Nunes die Totalverweigerer in seiner Partei, als der Shutdown amtlich war.

Das Klima innerhalb der Partei gilt als vergiftet. Manche wünschen dem radikalen Flügel um Senatoren wie Ted Cruz oder Mike Lee schon die Pest an den Hals, weil sie sie für politische Amokläufer halten. Auch weil Helden der Tea Party zuverlässig mit bizarren Äußerungen Zweifel an ihrer politischen Zurechnungsfähigkeit nährten.

Mit apokalyptischem Unterton

"Herr Jesus, Dein Tag ist nahe", kommentierte mit apokalyptischem Unterton die frühere Präsidentschaftsbewerberin Michele Bachmann die US-Schuldenkrise, während ihr ihr texanischer Kollege Louie Gohmert den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten John McCain (auch ein Republikaner) als "Unterstützer von Al Qaida titulierte.

Ihr Ansehen haben die Republikaner schon jetzt verloren, ganz unabhängig vom Ausgang der Haushaltskrise. Der "Grand Old Party" steht eine schwere Zeit bevor, egal, ob sich bis Donnerstag ein Kompromiss findet oder nicht. In etlichen Wahldistrikten bekämpfen Republikaner nicht mehr Demokraten, sondern in erster Linie sich selbst. Tea-Party-Vertreter verdrängen zunehmend mit Parolen gegen "Big Government", Staatsverschuldung und Obamacare die etablierten Kräfte.

Wie lange die Partei das noch aushält, werden die nächsten Wochen weisen.

Mit Material von AP und Reuters

(pst)
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