Separatisten sollen Flug MH17 abgeschossen haben Die USA sind sich sicher - fast

Washington · Samantha Power sprach aus, was eigentlich alle in Washington von Beginn an vermutet hatten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit, sagte die amerikanische UN-Botschafterin am Freitag während einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrats, sei die Rakete von ostukrainischen Rebellen abgefeuert worden.

Der Absturzort der MH17 - ein Ort wie nach der Apokalypse
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Der Absturzort der MH17 - ein Ort wie nach der Apokalypse

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Da es sich um ein komplexes Waffensystem handle, so Power, könne sie nicht ausschließen, dass russische Berater die Separatisten unterstützt hätten. Es waren die bisher deutlichsten Worten aus den Reihen einer Administration, die erst die Fakten abwarten möchte, aber im eigenen Land schon jetzt unter immensem Druck steht. Der Abschuss des Flugzeugs in der Ukraine hat — wie im Reflex -den Ruf nach einer härteren Gangart gegenüber Moskau laut werden lassen. In erster Linie sind es die Republikaner, die schärfere Sanktionen verlangen.

Peter King, ein Kongressveteran aus New York, fordert ein Landeverbot für russische Flugzeuge auf amerikanischem Boden, sollte sich herausstellen, dass "Russland auch nur indirekt seine Hand im Spiel hatte". Einmal mehr wählt der ergraute Senator John McCain, Verlierer des Präsidentschaftsduells 2008, von allen die schrillste Tonlage, um Barack Obama außenpolitische Schwäche vorzuwerfen. Aus purer Feigheit habe es das Weiße Haus unterlassen, der Ukraine Waffen zu liefern, "mit denen sie sich verteidigen und verlorenes Territorium zurückerobern kann". Dies müsse sich dringend ändern. Zweitens sollten die USA Truppen ins Baltikum entsenden, in Staaten, die sich von Wladimir Putin bedroht fühlten. Drittens Wirtschaftssanktionen nach dem Muster des Strafkatalogs verhängen, wie er im Atomstreit mit Iran beschlossen wurde und Wirkung erzielte.

Obama selbst forderte in einer Ansprache am Abend eine sofortige Waffenruhe im Osten der Ukraine. Zudem müssten unabhängige Ermittler Zugang zu der Unglücksstelle bekommen.

Hillary Clinton, einst Obamas Rivalin, später seine Außenministerin, sieht eher die Europäer in der Pflicht. Wenn es Beweise gebe, die Russland mit dem Abschuss in Verbindung bringen, sollte dies die EU veranlassen, sich im Duell mit dem Kreml stärker aus der Deckung zu wagen, rät die Demokratin. "Es war ein Flug von Amsterdam nach Kuala Lumpur, über europäisches Territorium. Die Empörung in den europäischen Hauptstädten sollte entsprechend groß sein."

Anthony Cordesman dagegen, Politikwissenschaftler am Center for Strategic and International Studies, einem Washingtoner Thinktank, warnt vor allzu schnellen Schuldzuweisungen. Wer immer die Rakete abfeuerte, habe sich offensichtlich auf tragische Weise geirrt. Es sei die Folge eines Konflikts, dessen Beteiligte in ihrer Nervosität zu Überreaktionen neigten, gibt Cordesman zu bedenken. Die Tatsache, dass es sich um eine furchtbare Tragödie handle, sollte nicht zu voreiligen Urteilen über Motive oder Absichten führen — "dazu wissen wir im Moment einfach noch zu wenig."

(RP)
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