Der russische Präsident im Ukraine-Konflikt Die vielen Gesichter des Wladimir Putin

Moskau · Offener denn je macht der russische Präsident Wladimir Putin deutlich, dass er keinesfalls plant, den prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine Einhalt zu gebieten, so wie es der Westen von ihm gefordert hatte. Dabei hatte er noch vor wenigen Tagen davon gesprochen, "alles für den Friedensprozess" zu tun. Es zeigt einmal mehr, dass Putin im Ukraine-Konflikt viele Gesichter trägt.

Wladimir Putin gibt sich unbeeindruckt über westliche Sanktionen gegen sein Land.

Wladimir Putin gibt sich unbeeindruckt über westliche Sanktionen gegen sein Land.

Foto: ap

Mehr und mehr verliert der Westen die Geduld mit dem russischen Präsidenten. Angesichts des Eindringens russischer Soldaten in die Ukraine verschärfen auch deutsche Politiker den Ton gegenüber dem Kreml. So sagte etwa der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU) in den ARD-"Tagesthemen": "Putin manipuliert den Westen." Und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnte in der "Passauser Neuen Presse" vor einer "unkontrollierbaren Eskalation" der Lage.

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel drohten Moskau derweil erneut mit Konsequenzen. "Die Bundeskanzlerin und der Präsident waren sich einig, dass ein solches Verhalten nicht folgenlos bleiben dürfe", teilte die Bundesregierung nach einem Telefonat der beiden Regierungschefs in der Nacht mit. Doch Putin ließ schon in der Vergangenheit solche Drohungen an sich abperlen, als beträfen sie ihn nicht. Und jetzt zeigt er offener denn je, dass er nicht vorhat, den prorussischen Separatisten Einhalt zu gebieten.

Putin lobt Separatisten

Am Freitag veröffentlichte der Kreml auf seiner Webseite ein Statement des russischen Präsidenten, in dem er die sie dazu aufforderte, die von ihnen umzingelten ukrainischen Soldaten freizulassen. "Ich rufe die Aufständischen auf, einen humanitären Korridor für die ukrainischen Soldaten zu öffnen, die eingeschlossen sind, um sinnloses Sterben zu vermeiden." Kein Wort zu den Vorwürfen einer Invasion durch russische Soldaten in der Ukraine, dafür aber Lob für die prorussischen Separatisten, dass sie "die Militäroperationen Kiews, die die Leben von Einwohnern des Donbass bedrohten und bereits zu einer riesigen Anzahl von getöteten Zivilisten führten", untergruben.

Putin stellt sich als der Mann, der sich um Zivilbevölkerung und Soldaten sorgt, der nichts anderes will, als das Blutvergießen zu stoppen. Auf der anderen Seite aber werden die Beweise immer offenbarer, dass reguläre russische Soldaten an der Seite der Separatisten kämpfen und Moskau auch Waffen und Kriegsgerät liefern lässt. Zudem richtete er seinen Appell ausdrücklich an die Kämpfer von "Neurussland" und lässt damit einmal mehr anklingen, dass er die Separatisten in ihren Bemühungen um eine Abspaltung von der Ukraine gewähren lässt.

Dabei hatte der Westen zu Beginn des Ukraine-Konflikts immer wieder vom russischen Präsidenten gefordert, den Separatisten Einhalt zu bieten. Putin aber betonte damals mehrfach, dass Moskau gar keinen Einfluss auf diese habe. Inzwischen zeigt sich dieser Einfluss aber mehr denn je, denn die Separatisten hatten schon kurz nach Veröffentlichung des jüngsten Statements von Putin erklärt, sie werden einen "humanitären Korridor" zulassen — wenn denn die Soldaten ihre Waffen und Munition ablegten.

Dialog mit dem Westen, Unterstützung für Separatisten

Putins Strategie ging lange auf. Nach außen hin gab er sich dialogbereit, redete mit dem Westen darüber, wie der Konflikt in der Ukraine zu lösen sei und dass er vor allem eines stoppen will: das Blutvergießen. Doch sein Land hat seit der Annektion der Krim auch eine Welle des Patriotismus erfasst. Eine Niederlage der "Freiheitskämpfer", wie die Separatisten in Russland genannt werden, wäre entsprechend auch eine Niederlage Putins.

Und so fordert er Kiew auf, die Waffen schweigen zu lassen und sich mit den prorussischen Kräften an einen Tisch zu setzen, während der Kreml im Verborgenen die Separatisten mit Waffen versorgt. Er schickt Hilfskonvois, um zu zeigen, dass er vor allem an humanitärer Hilfe interessiert ist. Er verspricht auf der Konferenz in Minsk, auf der er mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zusammentraf, alles für den Friedensprozess zu tun, kurz bevor klarer denn je wird, dass russische Soldaten in der Ukraine kämpfen. Es sind die vielen Gesichter des Putin, die nun deutlicher denn je zu sehen sind.

Dass Putin nun offener agiert in Bezug auf die Ukraine, vermag dabei nicht zu verwundern. Denn die Geduld des Westens, die sich insbesondere darin zeigte, dass man lange gezögert hatte, Sanktionen gegen Moskau zu erlassen, ist längst gewichen. Das weiß auch Putin. Und so werden die EU-Staatschefs auf ihrem Gipfel am Samstag sicherlich erneut über Sanktionen beraten. Putin aber dürfte das wie immer kalt lassen. Eine Eskalation des Konflikts nimmt er durchaus in Kauf.

mit Agenturmaterial

(das)
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