CIA Die wahre Geschichte der Bin-Laden-Jagd

Washington · Wer gab den entscheidenden Hinweis? Offenbar wollte der Geheimdienst CIA die Quelle vertuschen, um seine Foltermethoden zu rechtfertigen.

 Im Lageraum des Weißen Hauses verfolgt das Team von US-Präsident Barack Obama (2.v.l.) am 1. Mai 2011 angespannt die auf einen Bildschirm übertragene Militäraktion gegen den Terroristenführer Osama bin Laden.

Im Lageraum des Weißen Hauses verfolgt das Team von US-Präsident Barack Obama (2.v.l.) am 1. Mai 2011 angespannt die auf einen Bildschirm übertragene Militäraktion gegen den Terroristenführer Osama bin Laden.

Foto: AP

Der Weg zu Osama bin Laden führt über das Kurdengebirge im Norden Iraks. Dort wird im Januar 2004 Hassan Ghul festgenommen, ein Mitglied des internationalen Terrornetzwerks Al Qaida. Ghul erzählt seinen kurdischen Vernehmern, dass Al-Qaida-Gründer Osama bin Laden mit seiner Familie irgendwo in Pakistan lebt, wohl in der Gegend um Peschawar. Wahrscheinlich habe er nur wenige Leibwächter um sich, womöglich sei es nur ein einzelner Kurier, der ihn beschütze. Der Mann organisiere nicht nur den Kontakt zu den versprengten Resten des Netzwerks, er kümmere sich um alles, was bin Laden brauche. Man kenne ihn unter seinem "Nom de Guerre" ("Kriegsnamen") Abu Ahmad al Kuwaiti.

Sieben Jahre darauf, am 2. Mai 2011, erschießt eine Eliteeinheit der amerikanischen Navy Seals den Al-Qaida-Chef in dessen Wohnhaus am Rande der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad. Die CIA nutzt den Erfolg, um zu rechtfertigen, dass sie Gefangene folterte. Die Operation "Neptune's Spear" ("Neptuns Speer") ist so etwas wie ihre Trumpfkarte. Ohne "verschärfte Verhöre", gibt selbst ihr damaliger Direktor Leon Panetta zu verstehen, ein als Reformer angetretener Parteifreund des Präsidenten Barack Obama, hätte man das Versteck bin Ladens sicher nicht aufgespürt. Gut drei Jahre später hat nun Dianne Feinstein, die 81-jährige Senatorin aus San Francisco, die Geschichte, wie sie bisher immer erzählt wurde, zu einer Legende erklärt.

Ghul, bislang höchstens eine Fußnote der Bin-Laden-Saga, wird nun zum Kronzeugen. Prägnanter als jeder andere symbolisiert er die Kernthese der Demokraten im Geheimdienstausschuss des Senats, deren Bericht akribisch nacherzählt, was in den Folterkammern des US-Geheimdienstes CIA geschah: Menschen zu quälen ist nicht nur inhuman, es bringt auch nichts.

Als Ghul von Experten der kurdischen Autonomieregierung befragt wird, "saß er buchstäblich da und trank Tee", zitiert die Studie eine frühere CIA-Beamtin namens Nada Bakos. "Er war nicht eingesperrt in eine Zelle, er war nicht angekettet an irgendwas. Es war eine munter dahinfließende Unterhaltung." "Ghul hat gesungen wie ein zwitschernder Vogel", berichtet ein beteiligter Agent, als die CIA den Häftling übernimmt. "Er hat sich sofort geöffnet und war von Anfang an kooperativ." Nach zwei Tagen normaler Befragung wird er in eines der Geheimgefängnisse gebracht. Sein Bart wird abrasiert, das Haar stoppelkurz geschnitten, er muss sich nackt an eine Wand stellen, die Hände über dem Kopf, beim ersten Mal zwei Stunden lang. Nach 59 Stunden Schlafentzug beginnt er zu halluzinieren, er klagt über Rückenschmerzen.

Ghul gibt nun nichts mehr preis, jedenfalls nichts von Belang. Was er über bin Ladens Kurier wusste, hatte er bereits in Kurdistan zu Protokoll gegeben. Doch der Geheimdienst bleibt bis heute dabei, dass es anders war. Ohne die "verbesserten Verhöre" hätte man den Fokus nie auf al Kuwaiti gerichtet, schreiben drei CIA-Direktoren im Ruhestand, George Tenet, Porter Goss und Michael Hayden, in einer Kolumne des "Wall Street Journal".

Bereits drei Tage nach dem Tod bin Ladens hatte ein CIA-Beamter dem Senatsausschuss hinter verschlossenen Türen anvertraut, vor allem zwei Gefangene hätten geholfen, die wahre Bedeutung des Kuriers zu verstehen: Khalid Scheich Mohammed und Abu Zubaida. 183 Mal der Wasserfolter des simulierten Ertränkens (Waterboarding) unterzogen, soll KSM, wie die Amerikaner Mohammed nach seinen Initialen nennen, die entscheidenden Hinweise gegeben haben.

In Wahrheit, so ist in Feinsteins Studie nachzulesen, versuchte der mutmaßliche Chefplaner der Anschläge des 11. September 2001, seine Vernehmer in die Irre zu führen. Al Kuwaiti charakterisierte er als kleines Licht, als einen von vielen, die im Laufe der Zeit Briefträgerdienste für Al Qaida übernahmen.

Abu Zubaida, im August 2002 der Erste, an dem die von zwei Psychologen empfohlenen Foltermethoden ausprobiert wurden, hat den Mann, der mit bürgerlichem Namen Ibrahim Said Ahmad heißt, überhaupt nicht erwähnt. "Es gibt keine CIA-Aufzeichnungen, die belegen, dass Abu Zubaida im Jahr 2002 über al Kuwaiti sprach", konstatiert der Senatsreport. In seinem Adressbuch, auf der achten Seite, fand sich zwar die Telefonnummer des Boten. Das Verzeichnis aber hatten pakistanische Fahnder bereits sichergestellt, als sie im März 2002 das Versteck des Palästinensers stürmten.

Muss also auch Hollywood die Geschichte noch einmal erzählen, diesmal richtig? Kathryn Bigelow, deren für den Oscar nominierter Streifen "Zero Dark Thirty" eher die offizielle Version der Schlapphüte übernahm, belässt es vorerst bei salomonisch klingenden Worten: "Es ist kompliziert", meint die Filmemacherin. "Sehr, sehr, sehr kompliziert."

(RP)
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