Donezk in der Ost-Ukraine Prorussische Kräfte rufen "souveräne Volksrepublik" aus

Donezk · Prorussische Demonstranten haben in der ostukrainischen Stadt Donezk eine "souveräne Volksrepublik" ausgerufen. Sie besetzten zuvor bereits in verschiedenen ukrainischen Städten staatliche Gebäude. Die Aktivisten fordern ein Referendum über den Beitritt zu Russland - so wie auf der Krim.

Prorussische Aktivisten wollen Unabhängigkeit von Kiew
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Prorussische Aktivisten, die das Hauptverwaltungsgebäude der Stadt Donezk besetzt halten, haben am Montagmittag eine "souveräne Volksrepublik" ausgerufen. Das sagte ein Sprecher zu vor dem Gebäude wartenden Journalisten. Den Reportern wurde der Zugang zum Saal verwehrt.

Der ukrainische Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk warf Russland am Montag vor, hinter den Unruhen zu stecken. Diese seien "Teil eines Destabilisierungsplans, damit eine fremde Armee die Grenze überschreitet und in ukrainisches Territorium einmarschiert", sagte Jazenjuk auf einer Kabinettssitzung.

Bei Demonstrationen im russischsprachigen Osten der Ukraine war es zuvor bereits zu massiven Ausschreitungen gekommen. Russlandtreue Aktivisten besetzten die Gebietsverwaltungen der Millionenstädte Charkow und Donezk. Auf den Dächern hissten sie die russische Fahne. Die Angreifer forderten ultimativ Referenden über eine Abspaltung von Kiew - nach dem international nicht anerkannten Vorbild auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim.

Nach Angaben der Zentralregierung handelte es sich bei einem Großteil der Besatzer um Provokateure aus dem nahen Russland. Der Kreml hatte stets betont, seine Bürger in der Ukraine zur Not auch militärisch zu schützen.

Zeman warnt vor "roter Linie"

Der tschechische Präsident Milos Zeman warnte eindringlich, Russland würde mit einem Einmarsch in der Ostukraine eine "rote Linie" überschreiten. "In einem solchen Fall würde ich nicht nur für die schärfest möglichen Sanktionen plädieren, sondern sogar für eine militärische Bereitschaft des Nordatlantik-Pakts und den Einsatz von Nato-Soldaten auf ukrainischem Gebiet", sagte Zeman am Sonntag im tschechischen Rundfunk. Mit der Angliederung der Krim an Russland werde sich der Westen indes langfristig abfinden müssen.

In Donezk warfen Demonstranten im Anschluss an eine friedliche Kundgebung zunächst Fenster der Gebietsverwaltung ein, wie das örtliche Internetportal novosti.dn.ua berichtete. Es kam zu Handgemengen, vor der Verwaltung versammelten sich Hunderte Menschen. Bereits Anfang März hatten moskautreue Kräfte die Gebietsverwaltung kurzzeitig unter Kontrolle gebracht.

Moskautreue werden mit Steinen und Böllern

Auch in Charkow zogen etwa 1500 prorussische Aktivisten im Anschluss an eine friedliche Kundgebung vor die Gebietsverwaltung. Binnen weniger Minuten seien dann mehrere Hundert Menschen in das Gebäude eingedrungen. Die Menge auf der Straße jubelte den Angreifern mit "Russland"-Sprechchören zu. Dutzende moskautreue Demonstranten bewarfen zudem einige Anhänger der Zentralregierung mit Steinen und Feuerwerkskörpern. Die Polizei konnte die Angegriffenen nur mit Mühe in Sicherheit bringen.

In der Stadt Lugansk nahe der Grenze zu Russland besetzten Demonstranten vorübergehend die Vertretung des Geheimdiensts SBU. Die Angreifer schlugen die Tür ein und warfen Ziegelsteine sowie Rauchbomben. Dabei wurden zwei Menschen verletzt. Nach Verhandlungen ließen die Behörden sechs festgenommene moskautreue Aktivisten frei.

Der SBU hatte am Vortag die Festnahme von 15 Männern in dem Gebiet bekanntgegeben, die angeblich mit Waffengewalt staatliche Gebäude besetzen wollten. Es war aber zunächst unklar, ob es sich bei den Verdächtigen um moskautreue Kräfte handelt. In Odessa demonstrierten Tausende für eine weitere Föderalisierung der Ex-Sowjetrepublik sowie für Russisch als Amtssprache. Proteste gab es auch in anderen Städten.

Von der Leyen: Verhältnis zu Russland beschädigt

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht das Verhältnis zu Russland auf längere Sicht beschädigt. Der "Bild"-Zeitung sagte sie, Präsident Wladimir Putin habe mit der Annexion der Krim viel Vertrauen zerstört. "Es wird lange dauern, das wieder aufzubauen. Voraussetzung dafür ist vor allem anderen, dass Russland dazu beiträgt, dass sich die Lage wieder entspannt."

Zugleich wies sie Spekulationen über eine militärische Auseinandersetzung des Westens mit Russland als "abwegig" zurück. Auch ein Beitritt der Ukraine zur Nato kommt nach ihrer Überzeugung nicht in Frage.

Die Ukraine und Russland steuern derweil auf einen neuen Gaskonflikt zu. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warf dem Nachbarland "wirtschaftliche Aggression" vor. Kiew werde die massiv erhöhten Preise für russisches Gas nicht zahlen. Energieminister Juri Prodan drohte, den russischen Staatskonzern Gazprom vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen.

Wegen bilateralen Streits waren in der Vergangenheit wiederholt auch in der EU die Vorräte knapp geworden. Gazprom hatte zum April den Gaspreis auf 485,5 Dollar angehoben und den Schritt mit Milliardenschulden der Ukraine sowie dem Wegfall eines Sonderrabatts begründet.

(dpa/afp)
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