Präsidentschaftswahl am Sonntag Ein Schokoladenkönig für die Ukraine

iljitschowsk · Der Milliardär Petro Poroschenko ist Favorit bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag. Reich wurde er mit Süßwaren. Poroschenko kann volksnah, aber auch staatsmännisch auftreten. Politisch steht er für die Annäherung an die EU.

 Die Poroschenko-Familie will nach oben.

Die Poroschenko-Familie will nach oben.

Foto: dpa

Die kleine Angelina mit den süßen blonden Zöpfchen spielt mit einem roten Luftballon. "Auf neue Weise leben" steht darauf. Es ist Petro Poroschenkos Wahlkampfmotto. Der Süßwaren-Fabrikant ist Favorit bei der ukrainischen Präsidentenwahl morgen. Auf neue Weise leben möchten auch Antonina und Denis Popow, die Eltern der vierjährigen Angelina. Deshalb stehen sie nun vor dem Sportpalast in Iljitschowsk und warten auf den Auftritt des Kandidaten.

Iljitschowsk, eine Schwarzmeerstadt mit 70 000 Einwohnern, ist Poroschenkos letzte Station an diesem Tag. Denis Popow (30) hat sich noch nicht entschieden, wem er seine Stimme geben wird. "Wir sind so müde von den vielen Versprechen", sagt er, "und alle waren schon an der Macht, auch Poroschenko. Der ist schließlich Abgeordneter." Popow arbeitet im Containerhafen, seine Frau bei einer Bank. Zusammen kommen sie auf 8500 Griwna im Monat - 520 Euro. Davon stottern sie noch einen Kredit für eine Ein-Zimmer-Wohnung ab. "An Auto oder Urlaub ist nicht zu denken", sagt Denis. Auch die Gewalt im Osten macht ihm Angst. Wenn er könnte, würde er mit seiner Frau auswandern.

Kämpfe in Lugansk und Donezk

Die Wahl findet unter schwierigen Bedingungen statt. Nach dem Sturz von Viktor Janukowitsch soll Übergangspräsident Alexander Turtschinow durch ein vom Volk gewähltes Staatsoberhaupt ersetzt werden. Doch in den ost-ukrainischen Regionen Lugansk und Donezk kämpfen weiter prorussische Aufständische. Dort wird die Wahl kaum stattfinden. Das kann der Kreml nutzen, dem Wahlsieger die Legitimität abzusprechen.

Dramatische Musik, Paukenschläge. Auftritt Poroschenko. Auf dem Platz stehen jetzt mehrere Tausend Menschen, doch sie applaudieren nur zögerlich. Poroschenkos Rede ist leidenschaftlich. "Wir müssen den Preis jedes verlorenen Tages begreifen", sagt er und ruft zu einer klaren Entscheidung auf - eine Stichwahl würde die Instabilität verlängern. Er erzählt von seinen Erlebnissen in der Ost-Ukraine. "Die Banditen brauchen keine russische Sprache, keine Föderalisierung - sie wollen klauen, rauben und töten!", ruft er.

Poroschenko ist ein guter Redner. Der untersetzte Mann mit den graumelierten Locken, den die Fettpolster im kantigen Gesicht älter erscheinen lassen als seine 48 Jahre, erweckt Vertrauen. Für viele Ukrainer ist Poroschenko "der Schokoladenkönig". Sein Firmenimperium gründet sich auf die Schokoladenfabrik Roshen, benannt nach dem Mittelteil seines Namens. Roshen gehört zu den 100 größten Süßwarenherstellern weltweit. Laut Magazin "Forbes" beträgt Poroschenkos Vermögen rund eine Milliarde Euro.

In der Politik ist er kein Neuling. Nach der Revolution 2004 wurde Poroschenko Chef des Sicherheitsrats, dann Außenminister. Später wechselte der Unternehmer kurzzeitig die Seiten: Er diente dem inzwischen gestürzten Viktor Janukowitsch als Wirtschaftsminister. Poroschenko ist klarer Befürworter der Annäherung an die EU. Als Janukowitsch dem Assoziierungsabkommen mit Brüssel eine Absage erteilte, begannen Ende November die Proteste auf dem Maidan. Poroschenko zeigte sich von Anfang an dort. Einmal verhinderte er durch persönlichen Einsatz, dass Radikale mit einem Bulldozer auf Polizisten losgingen. Das brachte ihm Respekt. Später unterstützte der Milliardär das Zeltlager der Aktivisten mit Holz, Wasser und Essen. Die Bühne der Revolution aber mied er.

Der König gibt sich volksnah

Dabei kann sich der Schokoladenkönig so volksnah geben wie sein Produkt. In Iljitschowsk knuddelt er Kinder, in Odessa spaziert er über den Wochenmarkt, diskutiert mit Marktfrauen über die Preise und kauft ein Kilo Erdbeeren. Locker wechselt Poroschenko zwischen Ukrainisch und Russisch. Rückhalt hat er nicht nur im Westen, sondern auch im russischsprachigen Süden und Osten des Landes.

Auch das souveräne Auftreten des Staatsmannes beherrscht der Oligarch. Die von Russland annektierte Krim will er der Ukraine zurückbringen - aber nicht mit Gewalt. "Wenn die Menschen dort sehen, dass ihre Nachbarn in der Ukraine besser, freier und demokratischer leben, dann werden sie selbst zu uns zurückkommen." In der Ost-Ukraine will er eine Informationskampagne über die EU starten, um die Bürger dort vom Sinn des proeuropäischen Kurses zu überzeugen.

Der 42-jährigen Buchhalterin Marina hat Poroschenkos Rede gefallen. Ob sie für ihn stimmen wird, weiß sie noch nicht. Vor allem hofft sie auf eines: dass die Wahl ihrem von Armut, Chaos und Gewalt gebeutelten Land etwas Stabilität gibt.

(RP)
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