Reaktionen weltweit Empörung und Drohungen nach "Charlie Hebdo"-Ausgabe

Berlin · Die erste "Charlie Hebdo"-Ausgabe nach dem Anschlag auf die Redaktion hat heftige Reaktionen in der islamischen Welt hervorgerufen. Auf extremistischen Webseiten wurden prompt Gewaltdrohungen ausgestoßen.

Reaktionen weltweit: Empörung und Drohungen nach "Charlie Hebdo"-Ausgabe
Foto: afp, nb

Die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) hat das Cover der neuen Ausgabe der Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" verurteilt. Die Veröffentlichung neuer Mohammed-Karikaturen sei "extrem dumm", hieß es am Mittwoch in einer Erklärung im Radiosender Al-Bajan, den die IS-Extremisten in von ihnen kontrollierten Gebieten in Syrien und im Irak ausstrahlen. Mit den neuen Karikaturen werde erneut der Prophet beleidigt.

Die jüngste "Charlie Hebdo"-Ausgabe war am Mittwoch in einer Mammut-Ausgabe von drei Millionen Exemplaren erschienen. Da sie in wenigen Stunden ausverkauft war, wurde die Auflage auf fünf Millionen Exemplaren erhöht. Das Satiremagazin wurde in verschiedenen Sprachen übersetzt und soll in 25 Ländern erscheinen. In Deutschland startet der Verkauf am Samstag.

Das Cover zeigt einen weinenden Propheten Mohammed, der ein Schild mit der mittlerweile weltbekannten Solidaritätsbekundung "Je suis Charlie" in den Händen hält. Die Karikatur auf dem Titel ist versehen mit der Überschrift: "Alles ist vergeben."

Inzwischen hat sich die Terrorgruppe Al Qaida zum Attentat auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion bekannt. "Es wurden Helden rekrutiert, und sie haben gehandelt", erklärte einer der Anführer von Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap), Nasser Ben Ali al-Anassi, in einem am Mittwoch im Internet erschienenen Video. Bei dem Anschlag am vergangenen Mittwoch wurden zwölf Menschen getötet. Unter den Toten waren acht "Charlie Hebdo"-Mitarbeiter.

Die Terrorgruppe Al Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) hatte zuletzt im Internet mit weiteren Angriffen auf Frankreich gedroht.

Auch der Iran hat das Titelbild der neuen "Charlie Hebdo" Ausgabe mit der Karikatur des weinenden Propheten Mohammed verurteilt. "Das ist eine provokative Geste und für Muslime verletzend", sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham am Mittwoch in Teheran. Sie sprach von einem Missbrauch der Pressefreiheit, der für Muslime inakzeptabel sei. Respekt für religiöse Heiligkeiten sei ein weltweit anerkanntes Prinzip, das auch europäische Staatsmänner akzeptieren sollten, so die Sprecherin.

In Ägypten reagierten Islamgelehrte mit scharfer Kritik auf die neue Ausgabe. Der einflussreiche Großmufti von Ägypten warf der französischen Redaktion zudem Rassismus vor, weil Mohammed nach seiner Ansicht nicht bildlich gezeigt werden darf. Die wichtige religiöse Einrichtung Dar al-Ifta in Kairo erklärte sogar, dass diese "ungerechtfertigte Provokation von 1,5 Milliarden Muslimen weltweit" eine neue Welle des Hasses auslösen werde.

Die ägyptischen Zeitungen schenken dem Erscheinen des Satiremagazins "Charlie Hebdo" jedoch keine besondere Aufmerksamkeit. Direkte Abdrucke des Titelblatts gab es nicht. Allein die unabhängige "Al-Masry al-Youm" widmete dem Thema eine eigene Karikatur. Darin freut sich ein Islamist zunächst über das "erfolgreiche" Attentat auf die Redaktion. Doch dann bekommt er Zweifel: Die Zeitung, die zuletzt nur 60.000 Exemplare auf dem Markt brachte, erschien am Mittwoch in Millionenauflage und mehreren Sprachen. "Ich frage mich, wer gewonnen hat?", heißt es in der Zeichnung.

Scharfe Kritik an der neuen Mohammed-Karikatur kam hingegen von der islamischen Al-Ashar-Universität in Kairo. Die Zeichnung werde "den Hass schüren", erklärte die höchste Autorität des sunnitischen Islam. Sie diene "nicht der friedlichen Koexistenz der Volksgruppen und behindere die Integration der Muslime in den europäischen und westlichen Gesellschaften".

Kurz darauf registrierte die auf die Beobachtung von Terroraktivitäten spezialisierte US-Gruppe SITE auf einschlägigen Webseiten Aufrufe zu neuen Anschlägen auf "Charlie Hebdo" sowie anonyme Drohungen von Extremisten.

Die islamischen Dachverbände Frankreichs riefen unterdessen die Muslime des Landes in einer gemeinsamen Erklärung auf, angesichts der neuen "Charlie Hebdo"-Ausgabe "ruhig zu bleiben und emotionale Reaktionen zu vermeiden". Der Zentralrat der Muslime in Deutschland betonte, man müsse dies im Sinne der Meinungsfreiheit hinnehmen, auch wenn sich viele Muslime durch die Mohammed-Darstellung gekränkt fühlten. Doch die Emotionen in der islamischen Welt kochen hoch angesichts der neuen Mohammed-Karikatur.

Auch in der Türkei stießen die Zeichnungen bei der islamisch-konservativen Regierung auf Kritik. Der oberste islamische Geistliche der Türkei, Mehmet Görmez, hatte bereits in der vergangenen Woche den Anschlag auf "Charlie Hebdo" verurteilt, sprach sich aber gleichzeitig gegen die Verunglimpfung der islamischen Werte "im Namen der Meinungsfreiheit" aus.

Die meisten türkischen Zeitungen beschrieben die Titelseite der neuen Ausgabe von "Charlie Hebdo" jedoch am Dienstag lediglich. Keine bildete sie ab. Bis auf die linksnationalistische Zeitung "Cumhuriyet", die vier Seiten der neuen Ausgabe von "Charlie Hebdo" als Beilage nachdruckte. Daraufhin wurden die Laster mit der Ausgabe von der Polizei gestoppt und auf Mohammed-Karikaturen kontrolliert. Weil sie das Titelbild der "Charlie Hebdo"-Ausgabe nicht entdeckten, konnte die Ausgabe doch ausgeliefert werden. Die ultrakonservative Zeitung "Yeni Akit" kritisierte den Nachdruck als "große Provokation". Vor dem "Cumhuriyet"-Gebäude in Istanbul verschärfte die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen. Zudem verhängte eine Gericht die Sperre von Internetseiten, die das neue Titelbild von "Charlie Hebdo" zeigen.

Auf die französische Zeitung war ein islamistischer Anschlag verübt worden, bei dem zwölf Menschen getötet wurden. Unter den Toten waren acht "Charlie Hebdo"-Mitarbeiter.

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