Sechs Festnahmen Erschütterung und Scham nach Rachemord an Palästinenser

Tel Aviv · Sechs jüdische Tatverdächtige werden nach der brutalen Ermordung eines jungen Arabers verhaftet. Sie sollen den 16-Jährigen bei lebendigem Leibe verbrannt haben. Israel reagiert mit Scham auf den mutmaßlichen Hassmord.

Der Tod von Teenagern löst Gewalt im Nahen Osten aus
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"Ich fordere von dem Gericht, dass sie ihnen (den Familien der Mörder) das Haus zerstören, wie sie es bei Anderen (Arabern) getan haben. Genau dasselbe - das möchte ich sehen. Sie haben meinen Sohn verbrannt, sie haben ihn lebendig verbrannt, nicht tot. Sie haben kein Mitleid, sie haben kein Herz, sie haben gar nichts. Nazis, wie Nazis", sagte Hussein Abu Chedair, Vater des mutmaßlich von radikalen Juden ermordeten palästinensischen Jugendlichen, im israelischen Rundfunk.

Die erste Reaktion vieler Israelis nach dem mutmaßlichen Rachemord an einem jungen Araber war Unglauben. "So etwas tun Juden nicht", hieß es immer wieder. Dann - nach der Festnahme von sechs jüdischen Tatverdächtigen - kam die Reue. "Der Mord und die Scham", lautete am Montag die fette Schlagzeile in der auflagenstärksten Gratiszeitung "Israel Hajom", die als Sprachrohr des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gilt.

Noch dürfen viele Einzelheiten der grausamen Tat nicht veröffentlicht werden. Soweit bisher bekannt ist, haben die Tatverdächtigen den 16-jährigen Mohammed Abu Chedair aus dem arabischen Ostteil Jerusalems in der Nacht zum Mittwoch vor seinem Haus entführt und in ein Auto gezerrt. In einem Wald bei Jerusalem sollen sie ihn mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leibe verbrannt haben. Drei der Tatverdächtigen haben nach Medienberichten gestanden.

Die klare Verurteilung der blutigen Tat, mit der offenbar Rache für den Mord an drei jüdischen Teenagern geübt werden sollte, zieht sich von rechts nach links durch alle politischen Lager. Die Täter stammen nach Medienberichten aus dem ultrarechten Milieu.

Es gehört zum Selbstbild vieler Israelis, den Palästinensern moralisch überlegen zu sein. "Bei ihnen ist die Gewalt eine Lebensart, wir verurteilen so etwas", sagt eine Kinderärztin aus Tel Aviv am Montag. "Wenn Juden ermordet werden, dann gibt es auf der anderen Seite Freudenfeiern - wir lehnen so etwas dagegen ab", meint die Frau mit den braunen Locken. "Das ist der Unterschied zwischen uns."

Der grausame Mord an dem jungen Araber hinterlässt jedoch sichtbare Schrammen in dem Bild der moralischen Überlegenheit. Eine Kommentatorin der Zeitung "Jediot Achronot" spricht von "tiefer Scham und Schande angesichts der Tatsache, dass so etwas in unseren Reihen passieren kann, wir waren so sicher, dass nur Araber so grausam sein können".

Angesichts zahlreicher Rache-Aufrufe vor dem Mord gerät jetzt aber auch die israelische Führung in die Kritik. In ihrem Leitartikel wirft die Zeitung "Haaretz" Netanjahu vor, er habe nach der Entführung und Ermordung dreier israelischer Jugendlicher durch militante Palästinenser zur Aufheizung der Lage beigetragen.

Netanjahu hatte unter anderem gesagt: "Die Rache für das Blut eines kleinen Kindes hat der Teufel noch nicht erschaffen. Auch nicht die Rache für das Blut dreier unschuldiger Jungen, die auf dem Weg nach Hause zu ihren Eltern waren, die sie nie wieder gesehen haben. Die Hamas ist verantwortlich - und die Hamas wird zahlen."

Der israelische Geheimdienst hat den rechten Rand der Gesellschaft schon seit Jahrzehnten im Auge. Die araberfeindliche Kach-Bewegung des 1990 ermordeten rechtsextremen Rabbiners Meir Kahane war als terroristische Organisation verboten worden. 1994 ermordete der jüdische Extremist Baruch Goldstein in den Patriarchengräbern in Hebron 29 Palästinenser. Im darauffolgenden Jahr erschoss der jüdische Fanatiker Jigal Amir den Ministerpräsidenten Izchak Rabin, um weitere Gebietskonzessionen an die Palästinenser zu verhindern.

Die Räumung der israelischen Siedlungen im Gazastreifen im Jahre 2005 hat zur Radikalisierung vieler Siedler beigetragen, vor allem der jüngeren Altersgruppen. Mit dem Mord an dem jungen Araber sei nun ein Alptraum des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet Wirklichkeit geworden, schreibt ein Kommentator der Zeitung "Maariv". "Dies ist das Szenario, in dem der israelisch-palästinensische Konflikt sich in einen Stammeskampf zwischen zwei Gemeinden verwandelt, im biblischen Stil, mit Auge um Auge, der auf beiden Seiten zu Zerstörung und verbrannter Erde führen könnte."

(dpa)
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