Ausgerechnet Castros Nichte Erstmals stimmt in Kubas Parlament jemand mit Nein

Ausgerechnet eine Castro hat die Tradition gebrochen: Die Nichte des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro wagte es, bei einer Abstimmung im Parlament die Hand unten zu lassen. Es ging um die Rechte von Homosexuellen.

 Ausgerechnet Mariela Castro, Nichte von Fidel Castro, wagte es als erster Staatsbürger Kubas, im Parlament mit Nein zu stimmen.

Ausgerechnet Mariela Castro, Nichte von Fidel Castro, wagte es als erster Staatsbürger Kubas, im Parlament mit Nein zu stimmen.

Foto: dpa, ae mag sh

Für gewöhnlich winkt das kubanische Parlament Gesetzesvorlagen einstimmig durch. Nun hat zum ersten Mal eine Abgeordnete mit "Nein" gestimmt - nicht irgendeine Abgeordnete, sondern die Tochter von Staatspräsident Raúl Castro.

Mariela Castro, Kubas bekannteste Fürsprecherin für Schwule und Lesben, stimmte gegen ein Gesetz, das die Rechte von Arbeitnehmern regelt. Das Gesetz verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse und der sexuellen Orientierung. Nicht erwähnt wird der HIV-Status, ebenso wenig wie die Geschlechtsidentität.

Das war der Grund für Castros Widerstand: "Ich konnte nicht zustimmen, ohne sicher zu sein, dass die Rechte von Menschen mit anderer Geschlechtsidentität ausdrücklich anerkannt werden", erklärte die 52-Jährige in einem Interview, das Francisco Rodriguez, ein regierungsfreundlicher Homosexuellen-Aktivist, in seinem Blog veröffentlichte.

Die Nationalversammlung trifft sich zwei Mal im Jahr und genehmigt Gesetzesvorlagen per Handzeichen - bislang stets einstimmig. Die Nachrichtenagentur AP kontaktierte mehrere Experten. Keiner kann sich daran erinnern, dass es zuvor jemals eine Gegenstimme gegeben hätte.
"Das war das erste Mal, ohne Zweifel", sagt Carlos Alzugaray, Historiker und ehemaliger kubanischer Diplomat. Selbst Maßnahmen, die an der Basis kontrovers diskutiert wurden, wie zum Beispiel die Anhebung des Rentenalters, seien schließlich im Parlament einhellig abgesegnet worden.

Nur wenige wussten überhaupt etwas vom Ergebnis der Abstimmung, bei der Mariela Castro mit einer Tradition aus der Revolutionszeit brach.
Erst als das Gesetz kürzlich in Kraft trat, veröffentlichten Aktivisten das Votum. Manche glauben, dass damit ein Stein ins Rollen gekommen sein könnte, so zum Beispiel der Kuba-Fachmann Arturo Lopez-Levy, der an der Universität von Denver lehrt. Castros Gegenstimme "öffnet die Tür für andere wichtige Initiativen", sagt er.

Andere sind da skeptischer. "Das ist eher ein Zeichen dafür, womit Mariela durchkommt, als ein Zeichen dafür, womit ein gewöhnlicher Parlamentarier durchkommt", sagt Ted Henken, Professor für Lateinamerika-Studien am Baruch-College in New York.

Mariela Castro selbst deutete an, dass sie sich mehr Debatten im Parlament wünscht. "Es hat Fortschritte gegeben in der Art und Weise, wie Dinge diskutiert werden, vor allem an der Basis, am Arbeitsplatz, in Gewerkschaften und Parteigruppierungen", wird sie in Rodriguez' Blog zitiert. "Meiner Meinung nach müssen wir die demokratische Teilnahme der Vertreter im Parlament noch perfektionieren."

Die Nichte von Revolutionsführer Fidel Castro leitet das Nationale Zentrum für Sexualerziehung, das dem Gesundheitsministerium unterstellt ist. Sie hat sich in der Vergangenheit für die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesprochen.
Bislang gab es jedoch noch keinen konkreten gesetzlichen Vorstoß in diese Richtung.

Dass in Kuba überhaupt über die sogenannten LSBT-Rechte, die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen, gesprochen wird, zeigt, wie viel sich in den vergangenen 50 Jahren geändert hat. Noch in den 1970er Jahren wurden homosexuelle Kubaner verfolgt und in Arbeitslager gesteckt. Vor wenigen Jahren entschuldigte Fidel Castro sich dafür. Heute trägt der Staat sogar die Kosten für eine Geschlechtsumwandlung.

Doch Aktivisten klagen, die alten Vorurteile seien nur schwer totzukriegen. Die Gemeinschaft der LSBT benötige daher einen besseren rechtlichen Schutz. Mitglieder des Projekts Regenbogen haben Mariela Castro aufgefordert, eine Vorlage zur Änderung des Arbeitnehmerrechte-Gesetzes einzubringen. "Hier geht es nicht um kleine Details", sagt Rodriguez. "Es geht um soziale Probleme, die wir im heutigen Kuba haben."

(ap)
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