Europa streitet über Flüchtlinge EU verweigert Italien Hilfe in Flüchtlingsfrage

Luxemburg (RPO). Eklat beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg: Die Auseinandersetzung zwischen Italien und dem Rest Europas über den Umgang mit den afrikanischen Flüchtlingen endete in einem schweren Zerwürfnis. Die EU lehnte Hilfen für Italien ab. Berluconis Innenminister Roberto Maroni reiste wütend ab und stellte die EU-Mitgliedschaft seines Landes in Frage.

2011: Flüchtlingsstrom auf Lampedusa
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Deutschland und viele andere Mitgliedsstaaten warfen Italien am Montag vor, durch die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen an Wirtschaftsemigranten aus Tunesien den Schengenraum zu gefährden. Zugleich erteilten sie der römischen Forderung eine Absage, einige der 23.000 in Lampedusa Gestrandeten aufzunehmen.

Zornig verließ der italienische Innenenminister Roberto Maroni am Abend das Ressortcheftreffen in Luxemburg, und stellte die Mitgliedschaft seines Landes in der Gemeinschaft in Frage: Die EU schalte sich sofort ein, um Banken zu retten. Aber wenn es um konkrete Solidarität mit einem Land gehe, verstecke sie sich. "Wenn das die Antwort Europas ist, machen wir es besser alleine als in schlechter Gesellschaft."

Eklat mit Ansage

Mit seiner Politik hat sich Italien weit ins Abseits manövriert. Die Regierung stellt den Flüchtlingen, die bis zum 4. April aus Tunesien gekommen sind, befristete Aufenthaltspapiere aus, mit denen sie in andere EU-Staaten weiterreisen und sich dort bis zu neun Monate aufhalten können. Das sei ein klarer "Verstoß gegen den Geist von Schengen", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Seine österreichische Kollegin Maria Fekter warnte vor einen "Kollaps des Schengenraums", weil die Länder zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen gezwungen würden - die 1995 abgeschafft worden waren. Das "große Land" Italien solle sich selbst bemühen, sein Flüchtlingsproblem "seriös abzuwickeln", sagte sie. Aus anderen Delegationskreisen wurde über einen "Erpressungsversuch" des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi geschimpft.

Der Streit hat schwerwiegende Konsequenzen: Als erstes Land macht Frankreich seine Grenze zu Italien wieder dicht. Ressortchef Claude Gueant sagte, in den vergangenen Wochen seien dort schon 2.800 Flüchtlinge abgefangen und 1.700 zurück nach Italien geschickt worden. Er kündigte an, die Grenze mit zusätzlichen Bereitschaftspolizisten zu sichern. Damit werden die Schengen-Verträge, die systematische Kontrollen 1995 abgeschafft haben, bereits zum Teil unterlaufen.

Deutschland verstärkt Kontrollen

So weit will Deutschland zunächst nicht gehen, aber auch Friedrich kündigte verstärkte Einsätze an der Grenze an. Damit wolle man auch illegale Einwanderer ohne Papiere abfangen. Denn Inhaber der befristeten Aufenthaltstitel der italienischen Behörden können nicht ohne weiteres zurückgeschickt werden. Wenn sie über einen Pass oder Ausweis verfügen, Einkünfte (mindestens 61 Euro pro Tag) nachweisen können und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, dann wäre ihr Aufenthalt auch in Deutschland legal.

Die italienische Praxis, Flüchtlingen befristete Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen, ist zulässig, wie EU-Innenkommissarin Cécilia Malmström betonte. Die anderen EU-Staaten sehen darin aber die Gefahr, dass eine Sogwirkung für die illegale Einwanderung aus Nordafrika entsteht. "Das müssen wir verhindern", sagte Friedrich.

Um das Problem zu entschärfen, will sich Europa noch stärker von Nordafrika abschotten. Dafür wurde eine Sondersitzung des Rates für Mitte Mai einberufen. Am Montag verabredeten die Innenminister bereits, die Mission der Grenzschutz-Agentur Frontex auszuweiten. Bald sollen direkt vor der tunesischen Grenze europäische Schiffe patrouillieren und abgefangene Flüchtlinge sofort in ihr Herkunftsland zurückbringen.

Derzeit sind nur fünf italienische Schiffe im Rahmen der Frontex-Mission "Hermes" unterwegs, aber nur vor der italienischen Küste. Noch wehre sich Tunis dagegen, Frontex-Schiffe in seine Hoheitsgewässer zu lassen, sagte Friedrich. Aber das Land müsse aus eigenem Interesse die Massenauswanderung stoppen.

Malta bekommt Hilfe

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso reist am (morgigen) Dienstag nach Tunis. Neben der Frontex-Mission steht auch ein erweitertes Rücknahmeabkommen mit dem Land auf der Tagesordnung. Rom hat sich vor wenigen Tagen mit der tunesischen Regierung darauf geeinigt, dass 60 Flüchtlinge pro Tag zurückgeschickt werden können. Doch angesichts der 23.000 Menschen, die bereits in Italien sind, gilt die Zahl als viel zu gering.

Während Italien mit seiner Forderung nach einer Lastenteilung klar abgeblitzt ist, wird Malta bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise geholfen. Anders als bei den arbeitsuchenden Auswanderern aus Tunesien, überwiegend junge Männer zwischen 16 und 30 Jahren, handelt es sich auf Malta um rund 1.000 Vertriebene, die sich vor der Gewalt in Libyen in Sicherheit bringen wollen.

Deutschland nimmt hundert von ihnen auf, auch Belgien, Portugal, Schweden, Spanien und Ungarn wollen Malta Flüchtlinge abnehmen. Denn anders als Italien stoße der winzige Inselstaat wirklich an seine Grenzen, sagte Kommissarin Malmström.

(AFP/dapd)
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