Umstrittene Züchtigungs-Debatte Europarat rügt Frankreich für fehlendes Prügelstrafen-Verbot

Straßburg · Der Europarat hat seine Forderung nach einem klaren Verbot von Ohrfeigen und anderen körperlichen Strafen für Kinder auch in der Familie bekräftigt. Die Länderorganisation reagierte damit am Mittwoch auf die Beschwerde einer britischen Kinderschutzorganisation gegen Frankreich, das im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern Prügelstrafen für Kinder nicht völlig verbietet. Paris verstoße damit gegen die Europäische Sozialcharta, stellte das zuständige Komitee der paneuropäischen Länderorganisation fest.

Das französische Recht sehe kein "ausreichend klares, verbindliches und präzises Verbot" von körperlichen Strafen für Kinder vor, rügten die Experten. Zwar sei Gewalt gegen Kinder in Frankreich verboten, doch die französische Justiz gestehe Eltern gleichzeitig das Recht auf Bestrafung zu. Das Fehlen eines klaren Prügelverbots sorge für "Ungewissheit". Die Unterzeichnerstaaten der Sozialcharta, zu denen auch Frankreich gehört, haben sich verpflichtet, "jede Form" von Gewalt gegen Kinder zu unterbinden. Dieser Verpflichtung sei das Land aber bislang weder in der Gesetzgebung, noch in der Rechtsprechung nachgekommen, stellte das Komitee fest.

Rügen des Gremiums, das die Einhaltung der Sozialcharta überwacht, sind - im Gegensatz zu Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - nicht mit Sanktionen verbunden. Gegner der Prügelstrafe in Frankreich hoffen aber, dass die neue Rüge den Druck auf die Pariser Regierung erhöht. Das französische Recht untersagt zwar Prügelstrafen in der Schule, nicht aber körperliche Züchtungen "zu Erziehungszwecken" durch die Eltern. Familienstaatssekretärin Laurence Rossignol hatte diese Position noch am Montag verteidigt. Das Land dürfe nicht in zwei Lager gespalten werden - in jene, die für Schläge auf den Hosenboden seien und andere, die sie verbieten wollten, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP.

In Frankreich wird über das Thema seit Jahren gestritten. Seit 2010 scheiterten in der Pariser Nationalversammlung zwei Vorstöße für ein solches Verbot. Vor allem konservative katholische Familienverbände, aber auch zahlreiche Politiker stemmen sich dagegen, weil sie durch ein Prügelverbot die Erziehungsrechte der Eltern beeinträchtigt sehen. Vertreter von Kinderschutzorganisationen und Ärzte warnen hingegen vor möglichen psychischen Schäden. Wenn Kinder wiederholt geschlagen würden, setze dies Stresshormone frei, betonte der Arzt Gilles Lazimi aus dem Pariser Vorort Romainville. Die Entwicklung des Gehirns könnte beeinträchtigt, die Beziehung der Kinder zu den Eltern nachhaltig erschüttert werden.

Die Frage wird in Europa kontrovers debattiert - nicht erst seit der umstrittenen Äußerung von Papst Franziskus zur Rolle von Vätern als Zuchtmeister. Von den 47 Mitgliedsländern des Europarats haben bisher 27 körperliche Züchtigungen auch durch die Eltern verboten. Vorreiter war Schweden, das Eltern bereits 1979 untersagte, ihre Kinder zu schlagen. Diesem Beispiel folgten im Laufe der Jahre Staaten in allen Teilen Europas, darunter Deutschland (im Jahr 2000) und Österreich (1989). Frankreich gehört zu den europäischen Staaten, in denen Verfechter eines Verbots auf besonders heftigen Widerstand stoßen. Ähnlich ist die Lage dem Europarat zufolge in Russland, Großbritannien, Irland und Belgien.

(AFP)
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