Fragen und Antworten zu Fethullah Gülen Wer ist der Geistliche, den Erdogan so sehr fürchtet?

New York · Noch bevor der Ausgang des in der Nacht zum Freitag losgebrochenen Putsches in der Türkei abzusehen war, war für die Regierung in Ankara schon klar, wer der Drahtzieher des Vorgangs ist: Fethullah Gülen, im amerikanischen Exil lebender Imam und Begründer einer Bewegung, die für religiöse und demokratische Werte eintritt.

Fethullah Gülen lebt im amerikanischen Exil.

Fethullah Gülen lebt im amerikanischen Exil.

Foto: dpa, tb pt wst jhe

Ein Anwalt Ankaras in den USA, Robert Amsterdam, sprach von "Anzeichen einer direkten Beteiligung" des 75-jährigen Geistlichen. Die US-Regierung sei wiederholt auf die Gefahr hingewiesen worden, die Gülen und seine Bewegung darstellten, sagte Amsterdam. Türkische Geheimdienstinformationen zeigten, "dass es Hinweise gibt, dass Gülen eng mit gewissen Mitgliedern der militärischen Führung gegen die gewählte zivile Regierung zusammen arbeitet".

Gülens Anhänger weisen das strikt zurück. Der Präsident der in New York ansässigen Allianz für Gemeinsame Werte, Y. Alp Aslandogan, sagte der Nachrichtenagentur AP: "Wir weisen solch Anschuldigungen kategorisch zurück und betrachten sie als zutiefst unverantwortlich." In den ersten Stunden des Putsches erklärte die Allianz: "Wir verurteilen eine jegliche militärische Intervention in die Innenpolitik der Türkei." Fragen und Antworten zu Gülen:

Der am 27. April 1941 in der türkischen Provinz Erzurum geborene Gülen ist vor gut einem halben Jahrhundert mit einer Philosophie hervorgetreten, die eine mystische Form des Islams mit einer entschiedenen Betonung von Demokratie, Bildung, Wissenschaft und Dialog zwischen den Religionen verband. Anhänger des Imams begannen, an die 1000 Schulen in mehr als 100 Ländern zu gründen. In der Türkei entstanden Universitäten, Krankenhäuser, Wohltätigkeitsorganisationen und ein großes Medienimperium der Gülen-Bewegung.

Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft Gülen schon lange vor, ein Komplott zum Sturz der offiziell säkularen türkischen Regierung zu schmieden. Gülen selbst lebt zurückgezogen in einem großen, von der Außenwelt abgeschirmten Anwesen in Pennsylvania und tritt nur selten in der Öffentlichkeit auf. In der Türkei wurden mindestens drei Prozesses gegen ihn geführt - in Abwesenheit.

WARUM WEIST IHN DIE US-REGIERUNG NICHT AUS?

Die USA haben wenig Neigung erkennen lassen, Gülen in die Türkei zurück zu schicken. Das Justizministerium lehnt es ab, sich zum Fall Gülen zu äußern. Aslandogan erklärte Anfang des Jahres, die US-Regierung werde durchschauen, dass die Vorwürfe gegen Gülen politisch motiviert seien. Nach dem Putschversuch forderte Erdogan die US-Regierung erneut zur Auslieferung des Klerikers auf. US-Außenminister John Kerry sagte eine Prüfung zu, wenn ein Auslieferungsersuchen gestellt werde. Am Sonntagabend meldet die Nachrichtenagentur Reuters, dass Gülen sich einem Auslieferungsbeschluss beugen will.

Erst im Juni bekräftigte Amsterdam als ein in den USA von der türkischen Regierung beauftragter Anwalt, er werde in deren Namen weiter das "ungesetzliche Verhalten" Gülens vortragen. Ein Bundesrichter in Scranton hatte zuvor eine Klage gegen den Geistlichen abgewiesen. Darin war Gülen beschuldigt worden, er habe seine Anhänger in der türkischen Polizei und Justiz angewiesen, gegen Organisationen vorzugehen, die seiner Bewegung kritisch gegenüberstehen. Richter Robert Mariani entschied, ein US-Gericht sei schlicht nicht zuständig.

WAS IST MIT DEN SCHULEN?

Gegen einige Gülen-Schulen in den USA hat die Bundespolizei FBI wegen finanziellem Missmanagement und Visabetrugs ermittelt. Einer der schwerwiegendsten Vorwürfe ist, die Schulen holten türkische Lehrer ins Land, um sich von denen Schüler nennen zu lassen, die für die Bewegung zu gewinnen und in ihrem Sinne zu indoktrinieren seien.

Im Mai wurde einer Gülen-Schule in Texas vielfacher Visabetrug vorgeworfen: Türkische Lehrer seien in großer Zahl in den US-Staat geholt worden und es seien sowohl Staats- als auch Bundesgesetze verletzt worden, indem sie höher als amerikanische Lehrer bezahlt worden seien. Zudem habe das Netzwerk, Harmony Public Schools, bei Ausschreibungen türkische Anbieter bevorzugt. Die Schule hat die Anschuldigungen als unbegründet und politisch motiviert zurückgewiesen.

Gülen selbst wies die Vorwürfe zurück und stritt jede Verbindung zu dem Putschversuch ab. Ebenso reagierte die Allianz für Gemeinsame Werte: "Seit mehr als 40 Jahren treten Fethullah Gülen und Hizmet-Teilnehmer für Frieden und Demokratie ein und haben ihr Engagement dafür gezeigt. Wir haben durchweg militärische Interventionen in innere Angelegenheiten verurteilt. Das sind Kernprinzipien der Hizmet-Teilnehmer. Wir verurteilen eine jegliche militärische Intervention in die Innenpolitik der Türkei."

Mehr zum Putschversuch in der Türkei lesen Sie in unserem Dossier.

(felt/ap/KNA/REU)
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