Hunderttausende suchen Schutz in der Türkei Flüchtlinge berichten von Gräueltaten der IS-Milizen

Die Terrormiliz IS in Syrien vertreibt Tausende aus ihren Dörfern. Sie verbreitet dazu systematisch Angst und Schrecken. Die Türkei dient als letzte Zuflucht. Die Menschen berichten von Enthauptungen, Steinigungen und anderen Gräueltaten.

Flüchtlinge hoffen auf Hilfe an der türkisch-syrischen Grenze
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Die jüngste Flüchtlingswelle aus Syrien in die Türkei erreicht ungeahnte Ausmaße: Aus Furcht vor der Terrormiliz Islamischer Staat sind binnen weniger Tage mehr als 130.000 Menschen über die Grenze nach Norden geflohen, wie die türkische Regierung am Montag mitteilte. Das Land bereite sich auf ein "worst case scenario" vor, falls der Zustrom anhalte, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Numan Kurtulmu?.

"Ich hoffe, dass wir nicht mit einer noch größeren Flüchtlingswelle konfrontiert werden, aber wenn es so kommt, haben wir dafür Vorkehrungen getroffen", sagte Kurtulmu?. Denkbar sei, dass Hunderttausende kämen.

Irakische Streitkräfte erleiden schwere Verluste

Hunderttausende suchen Schutz in der Türkei: Flüchtlinge berichten von Gräueltaten der IS-Milizen
Foto: dpa, sdt sh

Die irakischen Streitkräfte haben derweil nach eigenen Angaben bei Kämpfen mit der Terrormiliz Islamischer Staat in der westlichen Provinz Anbar schwere Verluste erlitten. Generalleutnant Raschid Fleih teilte am Montag mit, mindestens 40 Soldaten seien bei Selbstmordanschlägen von IS-Kämpfern getötet worden. Bei der Belagerung der Stadt Sidschir durch die IS-Miliz seien am Sonntag 68 Soldaten gefangen genommen und vermutlich nach Falludscha gebracht worden.

Ein weiterer Offizier, der seinen Namen nicht genannt wissen wollte, sagte, nach dem IS-Angriff hätten sich 700 Soldaten sofort zurückgezogen.

Sie fliehen in Scharen

So entstand der Name der Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
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So entstand der Name der Terrormiliz Islamischer Staat (IS)

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Foto: ap

Die IS-Miliz, die seit Monaten weite Teile Syriens und des Iraks unter ihrer Kontrolle hat, eroberte vergangene Woche Dutzende kurdischer Dörfer in Nordsyrien. Vor allem kurdische Zivilisten - darunter viele Frauen, Kinder und ältere Menschen - fliehen seit Donnerstag in Scharen.

Allein am Wochenende kamen nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks rund 70 000 Menschen in die Türkei. Die Grenze wurde nach Auseinandersetzungen mit den türkischen Behörden zeitweilig geschlossen. Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein, Kurden sollen Steine geworfen haben. Die Türkei beherbergt insgesamt bereits mehr als 1,5 Millionen Syrer, die sich vor dem seit drei Jahren wütenden Bürgerkrieg in Sicherheit gebracht haben.

Steinigungen und Enthauptungen

Menschen, die sich in der jüngsten Flüchtlingswelle retten konnten, berichteten am Wochenende in der Türkei von Gräueltaten der sunnitischen Dschihadisten, darunter Steinigungen und Enthauptungen.

Häuser sollen niedergebrannt worden sein. Die Menschen stammen nach Angaben des türkischen Katastrophenschutzes überwiegend aus der Gegend um den Grenzort Kobani, der auch als Ajn Arab bekannt ist. In der Region gab es am Wochenende heftige Kämpfe zwischen dem IS und kurdischen Einheiten.

"Es gibt Dinge, über die wir nicht reden können"

Die Türkei hat sich bei den internationalen Bemühungen, den IS militärisch einzudämmen, bislang zurückgehalten. Hintergrund war die Geiselnahme von 49 Mitarbeitern des türkischen Generalkonsulats in der irakischen Stadt Mossul durch den IS. Die Gefangenen kamen erst am Wochenende nach drei Monaten in der Hand der Extremisten frei.

Wie dies genau zustande kam, ist nach wie vor offen. "Es gibt Dinge, über die wir nicht reden können", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag. "Wir müssen sensible Angelegenheiten schützen. Wenn man das nicht macht, muss man einen Preis bezahlen."

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete ohne Quellenangabe, es sei kein Lösegeld gezahlt worden. Dies bekräftigte auch Erdogan.

Auf die Frage von Reportern nach einem möglichen Gefangenenaustausch reagierte er jedoch ausweichend: "Egal ob es einen Austausch gab oder nicht - 49 Mitarbeiter sind wieder zurück in der Türkei", sagte er. "Dies würde ich für nichts eintauschen wollen."

(ap)
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