Experten erwarten mehr Druck auf Moskau Flug MH17 und die Folgen für den Ukraine-Konflikt

Paris · Durch den Absturz einer Boeing 777 der Fluggesellschaft Malaysia Airlines hat die Ukraine-Krise eine neue Dimension erreicht: Die Maschine wurde vermutlich abgeschossen und 298 Menschen sterben, die überhaupt nichts mit dem blutigen Konflikt zu tun hatten.

Noch ist unklar, was genau passierte und wer für den Absturz verantwortlich ist. Doch auf den Konflikt, da sind sich Experten einig, wird das Schicksal von Flug MH17 weitreichende Auswirkungen haben. Die ukrainische Regierung und die prorussischen Separatisten in der Ostukraine warfen sich am Freitag gegenseitig vor, das Flugzeug auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur abgeschossen zu haben.

Und auch wenn eine andere Absturzursache noch nicht vollkommen ausgeschlossen ist: Bei einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrats in New York sagte die UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten, Samantha Power, dass die Boeing 777 der Malaysia Airlines "wahrscheinlich abgeschossen" worden sei. Angesichts der Komplexität der Buk-Systeme könne zudem eine "technische Unterstützung durch russisches Personal" nicht ausgeschlossen werden, sagte Power. Ähnlich äußerte sich US-Präsident Barack Obama.

Der Absturzort der MH17 - ein Ort wie nach der Apokalypse
12 Bilder

Der Absturzort der MH17 - ein Ort wie nach der Apokalypse

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"Wenn sich die wahrscheinlichste Hypothese bestätigt, nämlich dass es ein Schuss der Separatisten war, dann wird sich das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland weiter verhärten", sagt Camille Grand, Chef der französischen Stiftung für strategische Forschung. "Denn die Separatisten haben sich nicht alleine bewaffnet."

Die westlichen Regierungen könnten "angesichts eines Ereignisses von diesem Ausmaß nicht untätig bleiben". Sollte sich eine Schuld der Rebellen bestätigen, dann werde sich der Druck auf Moskau erhöhen, sich von den Separatisten zu distanzieren und die Grenze zur Ukraine strenger zu kontrollieren, schreibt der in Moskau ansässige Analyst Chris Weafer.

Abschüsse von Passagiermaschinen
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Abschüsse von Passagiermaschinen

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Foto: dpa, marten ase

Der Westen wirft Russlands Staatschef Wladimir Putin schon seit geraumer Zeit vor, Waffenlieferungen an die Separatisten über die Grenze zur Ukraine zuzulassen. Sollte Putin jetzt nicht handeln, könnte der Westen weitgehende Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängen, wovor bislang vor allem die EU zurückgeschreckt ist. "Wir dachten bislang, dass solche Sanktionen unwahrscheinlich sind", schreibt Weafer. "Aber mit der Tragödie des malaysischen Flugzeugs kann sich alles ändern."

Auch der Wirtschaftsexperte Holger Schmieding von der Hamburger Privatbank Berenberg geht davon aus, dass der Westen jetzt zu härteren Sanktionen bereit ist - auch wenn er selbst davon wirtschaftliche Nachteile erleidet. "Der Konflikt fühlt sich für die Menschen in Europa und darüber hinaus jetzt wahrscheinlich viel weniger weit weg an", schreibt Schmieding in einem englischsprachigen Analysepapier.

Der mutmaßliche Abschuss des Flugzeugs könnte Schmieding zufolge aber auch die Chancen auf eine Lösung des Konflikts erhöhen. Der internationale Druck, "den Konflikt zu lösen oder einzudämmen, wird jetzt vermutlich viel größer sein als zuvor". Alle Seiten stünden jetzt zudem unter scharfer Beobachtung.

Ähnlich sieht es Judy Dempsey vom Forschungsinstitut Carnegie Europe: "Der einzige Hoffnungsschimmer dieses furchtbaren Absturzes ist, dass er ein Katalysator für ernsthafte Verhandlungen sein könnte." Viele aber sind eher pessimistisch. Wie Putin reagieren wird, ist vollkommen unklar. Und der ukrainische Politologe Wolodimi Fessenko sieht die Chancen auf eine Verhandlungslösung dramatisch geschwunden: "Der Vorfall wird sich auf die öffentliche Meinung in der Ukraine auswirken und künftig jede Verhandlung mit den Separatisten unmöglich machen."

(DEU)
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