Kritik der Gegner an "Massenüberwachung" Breite Mehrheit für französisches Geheimdienstgesetz

Paris · Die französische Nationalversammlung hat mit breiter Mehrheit das neue Geheimdienstgesetz in erster Lesung verabschiedet. Gegner kritisieren die "Massenüberwachung" auf der Suche nach Terroristen. Die Berichte über BND-Aktivitäten in Frankreich spielten dagegen in der Debatte keine Rolle.

Das ist Frankreichs neuer Premier Manuel Valls
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Foto: afp, AJ/PSM

"Unser Land ist einer bisher nie da gewesenen terroristischen Bedrohung ausgesetzt", warnt der sozialistische Regierungschef Manuel Valls seit der islamistischen Anschlagserie im Januar. Fast wortgleich begründete der konservative Oppositionsabgeordnete Eric Ciotti das mehrheitliche Votum seiner UMP für das neue französische Geheimdienstgesetz, das am Dienstag in erster Lesung mit 438 Ja-Stimmen und 86 Nein-Stimmen verabschiedet wurde.

Nur kurz zu Wort kam vor dem Votum in der Nationalversammlung die kleine Gruppe der Gegner des Textes, der den Geheimdiensten weitreichende Befugnisse einräumt. "Die Techniken erlauben eine Massenüberwachung", kritisierte der Grünen-Abgeordnete Sergio Coronado: "Der Text ermöglicht das Eindringen in die Privatsphäre auf breit angelegte Art und Weise."

Ein Maßnahmenbündel soll künftig den Geheimdiensten die Suche nach mutmaßlichen Terroristen erleichtern. Kritisch gesehen werden vor allem die "schwarzen Boxen", die bei den Interanbietern installiert werden, um im großen Rahmen beispielsweise das Aufrufen bestimmter Webseiten zu erfassen. "Die Regierung selbst spricht von 1500 bis 3000 Menschen, die bei der Terrorbekämpfung überwacht werden müssen. Warum denn dann das Netz über Millionen Franzosen auswerfen?", fragte der sozialistische Abgeordnete Pouria Amirshahi im Vorfeld. Er gehörte zusammen mit anderen Abweichlern der regierenden Sozialisten, der Linksfront, den Grünen und einigen UMP-Abgeordneten zu denen, die mit Nein stimmten.

Viel Macht für den Regierungschef

Auch die Datenschutzbehörde CNIL kritisierte die "undifferenzierte Art und Weise" , große Mengen an Daten auch bei den Franzosen zu sammeln, die nicht im Visier der Geheimdienste sind. Ihre Warnung stößt aber bei vielen Landsleute auf taube Ohren: Laut einer Umfrage sind 63 Prozent zu einer Einschränkung ihrer Freiheitsrechte im Internet bereit.

Die Kritiker sehen auch zu viel Macht beim Regierungschef, der künftig das letzte Wort über die Spionageaktivitäten hat. Eine neue Kommission, die sich aus Abgeordneten, Juristen und einem technischen Experten zusammensetzt, steht dem Premierminister beratend zur Seite, hat aber keine Entscheidungsbefugnis.

Die Geheimdienste können künftig aktiv werden, wenn Gefahr für die Landesverteidigung, die nationale Unabhängigkeit, das Territorium, aber auch die grundlegenden Interessen der Außenpolitik und der Wirtschaft besteht. Weit gefasste Motive also, die das Ausspähen in fast jedem Fall rechtfertigen. Um zu prüfen, ob dadurch die Persönlichkeitsrechte verletzt werden, kündigte Präsident Francois Hollande eine Anrufung des Verfassungsrates an.

Prüfung durch Verfassungsrat

Damit liegt er auf einer Linie mit den Gegnern des Gesetzes: 60 Abgeordnete leiteten ebenfalls eine Prüfung durch den Verfassungsrat in die Wege. Wortführer der Initiative ist der Konservative Pierre Lellouche. Der Ex-Staatssekretär war auch einer der wenigen, der sich nach Berichten über Spionageaktivitäten des BND in Frankreich äußerte. "Entrüstet, aber nicht überrascht" sei er, sagte Lellouche, der Außenminister Laurent Fabius in der Sache im Auskunft bitten will.

Das Außenministerium hatte die Berichte bisher zur Kenntnis genommen und darauf verwiesen, dass die Frage in engem Kontakt mit den "deutschen Partnern" behandelt werde. Ansonsten wollte kein Regierungsmitglied Stellung nehmen. Dafür äußerte sich der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon lautstark. Er forderte eine Einbestellung der deutschen Botschafterin in Paris und eine Entschuldigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

(long)
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