Anschlag von November 2015 Freispruch für den Herbergsvater der Terroristen

Paris · Im ersten Prozess um die Anschläge des 13. November ist der Hauptangeklagte überraschend freigesprochen worden. Jawad Bendaoud hatte im Gerichtssaal eine Show abgezogen, die die Hinterbliebenen schockierte.

Anschläge in Paris 2015: Freispruch für den Herbergsvater der Terroristen
Foto: dpa, isl bjw cul

Rund 40 Sekunden lang dauerte der Fernsehauftritt, mit dem Jawad Bendaoud am 18. November 2015 auf einen Schlag in ganz Frankreich bekannt wurde. Es war der Tag, an dem Spezialeinheiten der Polizei das Versteck der Attentäter von Paris im Vorort Saint-Denis stürmten.

Und Bendaoud, bei dem die damals meist gesuchten Terroristen Europas Unterschlupf gefunden hatten, gab zur selben Zeit im Fernsehen bereitwillig Auskunft über seine gefährlichen Untermieter. "Man hat mich um einen Gefallen gebeten und ich habe einen Gefallen getan, Monsieur", sagte der Mann mit Lederjacke, gegelten Haaren und schwarz gerahmter Brille dem Journalisten des Fernsehsenders BFMTV, bevor er mitten im Interview festgenommen wurde.

Ein Pariser Strafgericht sprach den "Herbergsvater der Terroristen" am Mittwoch überraschend frei. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft für den Hauptangeklagten gefordert, doch das Gericht sah den 31-Jährigen nicht über die Terrorpläne informiert - im Gegensatz zu den anderen beiden Angeklagten.

Bendaouds Komplize Mohamed Soumah, der als Mittelsmann zwischen den Attentätern und ihrem Vermieter fungierte, bekam fünf Jahre Haft. Nach dem Urteil von Richterin Isabelle Prévost-Desprez musste Soumah gewusst haben, dass es sich bei den Flüchtigen um Terroristen handelte.

Der dritte Angeklagte Youssef Aït Boulahcen muss vier Jahre ins Gefängnis. Dem Bruder Cousin von Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud warf die Richterin vor, die Terroristen gedeckt zu haben. "Sie wussten, dass ihr Cousin in Anschlagspläne verwickelt war", befand Prévost-Desprez laut der Zeitung "Le Figaro". "Ihre Unaufrichtigkeit und ihre Lügen haben die Anhörungen begleitet."

"Minimum an Respekt und Mitgefühl"

Der Prozess gegen die drei Männer hatte am 24. Januar begonnen. Es war das erste Verfahren rund um die Attentate des 13. November 2015, bei denen Terrorkommandos im Konzertsaal Bataclan, dem Stade de France und in mehreren Bars insgesamt 130 Menschen getötet hatten.

Von den Attentätern überlebte nur Salah Abdeslam, dem derzeit in Brüssel wegen einer Schießerei der Prozess gemacht wird. Abaaoud und seine Komplizen starben in dem Haus in Saint-Denis, das Polizisten in der Nacht des 18. November unter Dauerbeschuss genommen hatten. Augenzeugen berichteten hinterher von Kriegsszenen, bei denen das Gebäude völlig zerstört wurde.

Überlebende und Angehörigen der Opfer, von denen mehr als 600 als Nebenkläger auftraten, hatten große Hoffnungen in das Verfahren gegen die drei Hintermänner der Attentäter gesetzt. Doch Bendaoud machte den Prozess mit lockeren Sprüchen zu einem Justizspektakel.

"Das hier ist keine Show"

"Wenn ich gewusst hätte, dass ich Terroristen zu Hause habe, wäre ich dann ruhig da gesessen mit einem Sandwich und einem kleinen Film bei Netflix?", fragte der Angeklagte, der von den Attentätern pro Nacht 50 Euro bekam. "Das wäre, als würde (der Rapper) Snoop Dogg Partys mit Bin Laden feiern", sagte der Kleinkriminelle und Drogendealer, der die meiste Zeit seit seinem 18. Geburtstag hinter Gittern verbracht hatte.

Staatsanwalt Nicolas Le Bris glaubte ihm seine Ahnungslosigkeit. "Jawad wusste nicht genau, mit wem er es zu tun hatte", sagte er in seinem Schlussplädoyer. Bendaoud und sein Komplize Soumah seien aber durchaus auf dem Laufenden gewesen, dass es sich bei den Untermietern um Kriminelle auf der Flucht handelte.

Bei den Angehörigen der Opfer kamen die Auftritte von Bendaoud nicht gut an. "Es sollte ein Minimum an Respekt und Mitgefühl herrschen. Das hier ist keine Show", mahnte ein Nebenkläger, der seine beiden Schwestern bei den Anschlägen verloren hatte. Ein Mann, der am Stade de France verletzt worden war, rief Bendaoud nach der Urteilsverkündung zu: "Hau ab, wir wollen nichts mehr von dir hören."

(RP)
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