Russland und die Ukraine Gaskonflikt: Ein Streit um Geld und politische Einflussnahme

Moskau · Seit Juni liefert Russland kein Gas mehr an die Ukraine. Die EU versucht seit Monaten, in dem Konflikt zumindest eine Übergangslösung für den Winter auszuhandeln, denn auch für sie könnte das zum Problem werden. Am Mittwochnachmittag findet eine neue Gesprächsrunde in Brüssel statt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie gefährlich ist Russlands "Gas-Waffe"?
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Foto: FILES, AFP

Vor der neuen Verhandlungsrunde hat sich EU-Energiekommissar Günther Oettinger zurückhaltend hinsichtlich einer Einigung in dem Konflikt gezeigt. Die Chance dafür liege bei "50 Prozent", sagte Oettinger dem ZDF-"Morgenmagazin" am Mittwoch. Es sei zwar schon "viel erreicht" worden. Offen sei aber noch die Finanzierung der Gaslieferung gegen Vorkasse. Oettinger wird an dem Treffen am Nachmittag teilnehmen.

Wodurch wurde der Gasstreit ausgelöst?

Der russische Gazprom-Konzern hatte Anfang April seine Rabattregelung für die Ukraine aufgekündigt und den Gaspreis von 268 auf 485 Dollar (210 auf 380 Euro) pro 1000 Kubikmeter erhöht. Kiew warf Moskau vor, den Gaspreis als politisches Druckmittel einzusetzen, nachdem der prorussische Präsident Viktor Janukowitsch Ende Februar gestürzt worden war. Als sich die neue ukrainische Regierung weigerte zu zahlen, kündigte Gazprom Mitte Juni an, seine Lieferungen "auf Null" zu reduzieren.

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Warum könnte der Gasstreit im Winter auch für EU-Länder zum Problem werden?

Europa muss um die eigene Versorgungssicherheit bangen: Im vergangenen Jahr strömte gut die Hälfte des aus Russland importierten Gases über die Ukraine nach Westen. Die EU-Kommission schließt nicht aus, dass die Ukraine bei einem anhaltenden Lieferstopp Gas aus dem Transit abzweigen könnte, um ihre Bevölkerung zu versorgen.

Hat Russland bereits Gaslieferungen in die EU unterbrochen?

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Foto: afp, gs/AO

Ja. Im Januar 2009 unterbrach Russland nicht nur die Versorgung für die Ukraine, sondern stoppte auch die Transitlieferungen nach Westeuropa. Moskau warf Kiew damals schon vor, durchgeleitetes Gas zu "stehlen". Erst nach knapp drei Wochen konnten sich beide Seiten einigen.

Wie hat Europa die Ukraine bisher im Gasstreit unterstützt?

Über die Slowakei wurde für Westeuropa bestimmtes Gas in die Ukraine geleitet, damit das Land seine Speicher vor dem Winter auffüllen konnte. Gazprom hält diesen "reverse flow" für illegal. Anfang Oktober sanken plötzlich die aus Russland kommenden Gasmengen in osteuropäische EU-Länder wie Polen oder die Slowakei — teils wurde ein Zusammenhang mit den Rückleitungen gesehen.

Wo stehen die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine?

Vor einer Woche konnten sich beide Seiten für die Winterphase bis März auf einen Gaspreis von 385 Dollar pro 1000 Kubikmeter verständigen. Die Ukraine sagte darüber hinaus zu, für alle neuen Gaslieferungen im Voraus zu bezahlen. Der ukrainische Gasversorger Naftogaz verpflichtete sich zudem, bis Jahresende 3,1 Milliarden Dollar an Altschulden an Gazprom zu bezahlen, davon 1,45 Milliarden Dollar bis Ende Oktober.

Wo hakt es in den Verhandlungen noch?

Die praktisch insolvente Ukraine hat laut EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger zwar die 3,1 Milliarden Dollar für Altschulden auf ein Sonderkonto zurückgelegt. Offen ist aber noch, wie Kiew weitere 1,5 Milliarden Dollar aufbringt, um die neuen Gaslieferungen gegen Vorkasse zu bezahlen. Die Ukraine fordert ihrerseits von Russland ein juristisch verbindliches Dokument, damit Moskau nicht plötzlich wieder aus politischen Gründen den Gaspreis anheben kann.

Wie gut stehen die Chancen für eine Einigung?

Angesichts von Temperaturen unter null steht Kiew unter starkem Druck, eine Einigung zu erzielen. Russland bekäme seinerseits einen Scheck über Altschulden und müsste neues Gas nur gegen Vorkasse liefern. Zudem könnte eine Einigung die Bereitschaft der Europäer erhöhen, über eine Lockerung ihrer Sanktionen gegen Moskau im Ukraine-Konflikt nachzudenken.

Wäre der Gasstreit bei einer Einigung am Mittwoch vorbei?

Nein. Es geht um eine Zwischenlösung für den Winter, beide Seiten müssen dann über einen Preis für die Zeit danach verhandeln. Zudem streiten Kiew und Moskau vor einem internationalen Schiedsgericht in Stockholm über die Höhe der Altschulden. Moskau zufolge sind das 5,3 Milliarden Dollar, Kiew will aber nur den bis Jahresende geplanten Betrag von 3,1 Milliarden Dollar zahlen. Ein Urteil wird kommendes Jahr erwartet.

(AFP)
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