Gastbeitrag Trump kann auch bei uns passieren

Düsseldorf · Nach der US-Präsidentschaftswahl ist die deutsche Politik aufgeschreckt. Die bange Frage lautet: Kann Trump auch uns passieren? Aber sicher, die Wähler sind volatiler, unberechenbarer und selbstbewusster denn je.

Donald Trump: Das ist der Unternehmer und Ex-Präsident
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Das ist Donald Trump

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Foto: AP/Andrew Harnik

Nach der US-Präsidentschaftswahl ist Deutschland im Alarmzustand: 60 Prozent der Deutschen haben Angst vor Donald Trump, dem neuen starken Mann an der Spitze der USA. Während fast 90 Prozent unserer Wähler Barack Obama eine "gute" Politik attestierten, traut diese Trump noch nicht einmal jeder Zehnte zu. Und drei von vier Deutschen erwarten eine Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses, das für zwei Drittel von uns "großen" Einfluss auf unser Leben hat.

Entscheidend für das Wohl und Wehe im Umgang mit unserem mächtigsten Verbündeten ist nun ausgerechnet ein Mann, der von den allermeisten Deutschen als machtgierig und Lügner, Hetzer und Narzisst abqualifiziert wird. Und dessen "America first" für die meisten mit "Deutschland ab sofort hinten anstellen" interpretiert wird.

Weil Donald Trumps Wahl bei den allermeisten Wählern Verunsicherung, gar Entsetzen hervorruft - nur AfD-Wähler begrüßen seinen Sieg - gerät eine Frage immer stärker in den politischen Fokus der Deutschen: Kann Trump auch bei uns passieren?

Die Antwort ist: "Yes, it can"!

Denn auch unsere Wähler haben sich in kürzester Zeit stärker verändert, als es deutsche Parteien und Politiker wahrhaben wollen. Eine starke AfD, 40 Prozent Unentschlossene, geringe Wahlbeteiligungen, nur noch fünf Prozent, die politischen Aussagen Glauben schenken, 70 Prozent, die keine Unterschiede mehr zwischen CDU und SPD sehen. Vor allem aber: Die große Mehrheit entscheidet volatil - weiß bis zum Wahltag nicht, ob sie Links, Rechts, Mitte, Außen, Protest oder gar nicht wählen soll. Der Humus für ein anderes Deutschland ist gelegt!

Dieser Nährboden, das sind vor allem die 80 Prozent der Deutschen, die sich von unseren Politikern nicht mehr vertreten fühlen. Die glauben, unsere Politik kennt und entscheidet nicht nach den Alltagsproblemen "kleiner Leute". Die kein Verständnis, keine Empathie, keine Rücksicht für die Lebenswirklichkeit der meisten Wähler mehr zeigt!

Es sind im Grunde drei Bevölkerungsgruppen, die als Folge sich entfremdender Parteipolitik zum Protest-, Zufalls-, Abstraf- oder Nichtwähler geworden sind: So unberechenbar, dass auch ein Trump bei uns möglich wäre:

Der Angst-Bürger

Flüchtlinge, Alterssicherung, IT-Verunsicherung und Globalisierungsängste haben aus lebenssicheren zutiefst verunsicherte Bürger gemacht: Bürger, die Furcht haben, aus einem gerade noch auskömmlichen Leben herausgerissen und zum Sozialfall zu werden.

Der redliche Bürger

Der Ehrliche, Engagierte, Werteorientierte, der bemerkt, wie ausgenutzt er in Wirklichkeit wird: Der sich ärgert, dass seine Wünsche komplett ins Leere laufen, plötzlich aber offensichtlich genug Geld da ist: für Flüchtlinge, für sozial Auffällige, für Nicht-Wollende. "Und wo bleibe ich?" ist ihre Frage, um die die Politiker einen großen Weg machen.

Der Wutbürger

Der sieht, wie keiner mehr Verantwortung übernimmt: Wie selbst beim Milliardendesaster BER niemand Rechenschaft ablegen muss, aber unverschämte Abfindungen erhält. Wo mit systemisch abgetan wird, wenn über Unverschämtheiten und Inkompetenz der Mantel der Milliarden übergestülpt wird. "Das tut man": Lange Jahre unsere Klammer für unser Auskommen miteinander, hat ausgedient. Weiter kommt man mit dem Gegenteil!

Keiner dieser Frusttypen interessiert die Politik wirklich. Weil Ängste diese Bürger lethargisch machen. Weil sie in einer Trillerpfeifen-Demokratie nicht die lautesten sind. Weil sie sich ohnmächtig gegen den planlosen, unkontrollierten und ruhestellenden Umgang mit Milliarden fühlen: Drei Viertel haben "Fairness" in der Politik längst in die Kategorie der "aussterbenden Worte" abgelegt. Ihr einziges Mittel: Das Kreuzchen!

Diese Entwicklung führt nun zum Megathema, der Bundestagswahl 2017: Sicherheit in ihrer vielschichtigen Bedeutung. Anfang 2015 war unsere kleine Welt noch in Ordnung. Bildungspolitik stand auf der Liste der wichtigsten politischen Aufgaben ganz oben, dann kamen Klimaschutz, Arbeitslosigkeit, soziale Gerechtigkeit: alles Themen ohne große Emotionalisierungskraft. Sicherheit rangierte auf Rang zehn.

Nun toppt Sicherheit alles. Sicherheit nun im umfassenden Sinne. Vor Gewalt, Einbruch, Krieg, aber auch vor der Unplanbarkeit unserer persönlichen Zukunft, die 80 Prozent von uns inzwischen erfasst hat.

Glück für Deutschland, dass der Nation "charismatische" Machtpolitiker bislang versagt geblieben sind. Die die Sorgen der Wähler nur mit Empathie bedienen, sich lauthals aber planlos gegen Sachentscheidungen auflehnen, die Sorgen der Politfrustrierten dafür aber populistisch bedienen, die vielen mehr Lebensgerechtigkeit mit Rattenfängerkonzepten versprechen. Eben jemand, der sich dem Polit-Establishment breitbeinig in den Weg stellt.

Gut für Deutschland, dass unser einziger charismatischer Machtpolitiker die nun weiterhin mächtigste Frau der Welt ist. Nur: Lange wird es Angela Merkel nicht bleiben, wenn nicht endlich das Gefühl von Fairness, Empathie und Orientierung an der Lebenswirklichkeit für den Normalbürger Einzug hält.

(RP)
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