Feuerpause gebrochen Dauerhafte Gaza-Waffenruhe ist jetzt in weiter Ferne

Kairo/Gaza/Tel Aviv · Noch während der Verhandlungen über eine dauerhafte Gaza-Waffenruhe kommt es zu neuer Gewalt. Raketen fliegen aus Gaza, Israel reagiert. Ein Frieden im Nahen Osten scheint wieder in weite Ferne gerückt.

 Eine dauerhafte Friedenslösung ist nicht in Sicht.

Eine dauerhafte Friedenslösung ist nicht in Sicht.

Foto: dpa, jwh sh

Nach dem Bruch der jüngsten Waffenruhe droht der Gaza-Konflikt wieder zu eskalieren. Israel zog nach Raketenangriffen aus dem Gazastreifen seine Verhandlungsdelegation aus Kairo ab. Dort sollte sechs Wochen nach Beginn des Gaza-Kriegs eine dauerhafte Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern gefunden werden. Die letzte Feuerpause sollte bis Dienstagabend um 23.00 Uhr MESZ dauern.

Israelische Delegation reist nach Raketenbeschuss aus Kairo ab

Die israelische Delegation ist wegen des Bruchs der Waffenruhe im Gazastreifen am Dienstag von den Verhandlungen in Kairo abberufen worden. Das wurde am Abend aus israelischen Kreisen bekannt. Zuvor waren vom Gazastreifen aus trotz der vereinbarten Feuerpause Raketen auf Israel abgefeuert worden.

Nach Angaben der israelischen Armee trafen die vom Gazastreifen aus abgefeuerten Raketen unbewohntes Gebiet. Der Raketenbeschuss erfolgte acht Stunden vor dem Ende der verlängerten Waffenruhe, die zum Zweck weiterer Verhandlungen in Kairo über eine dauerhafte Lösung im Gaza-Konflikt vereinbart worden war.

Kurz darauf flog die israelische Luftwaffe Angriffe auf den Gazastreifen. Laut dem Militärradio wurden mindestens zehn Ziele getroffen. Nach Angaben der Rettungsdienste wurden mindestens acht Palästinenser verletzt. Augenzeugenberichten zufolge ergriffen tausende Menschen aus den östlichen Stadtteilen von Gaza die Flucht.

Hamas: nicht verantwortlich für Raketenangriffe

Die radikal-islamische Hamas hat derweil jede Verantwortung für den neuerlichen Beschuss Israels aus dem Gazastreifen zurückgewiesen.

Vielmehr sei Israel schuld an der Eskalation der Gewalt, teilte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri am Dienstagabend per E-Mail mit. Nach israelischen Armeeangaben schlugen wenige Stunden vor Ablauf der jüngsten Feuerpause am späten Abend drei Raketen in der Nähe der Wüstenstadt Beerscheva ein.

Die israelische Armee griff daraufhin "Terrorziele" im Gazastreifen an. "Hamas hat keinerlei Information über den Abschuss von Raketen aus Gaza", so Abu Suhri. Bei den israelischen Luftschlägen wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums fünf Menschen in Rafah im Süden der Enklave verletzt, darunter zwei Kinder.

Drei Geschosse seien in der Nähe der Wüstenstadt Beerscheva eingeschlagen, sagte eine Militärsprecherin. Die israelische Armee griff daraufhin nach eigenen Angaben "Terrorziele" im Gazastreifen an. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dazu die Order gegeben. Izat al-Rischek, ein ranghoher Führer der radikal-islamischen Hamas, betonte, es werde keine weitere Verlängerung der Feuerpause mit Israel geben.

Die palästinensische Autonomiebehörde will israelische Vorwürfe prüfen, wonach die Hamas im Westjordanland einen Umsturz geplant haben soll. Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet hatte mitgeteilt, mehr als 90 Hamas-Mitglieder seien in den vergangenen Monaten festgenommen worden. Sie seien in verschiedenen Zellen im Westjordanland aktiv gewesen und hätten den Sturz des gemäßigten Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas geplant.

Schin Bet wirft den Festgenommenen auch vor, sie hätten versucht, einen neuen Palästinenseraufstand gegen Israel in Gang zu bringen. Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa sprach Abbas von "sehr schwerwiegenden Auswirkungen", sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Dies würde "die Einheit und die Zukunft des palästinensischen Volkes bedrohen", sagte Abbas den Angaben zufolge.

Die Palästinenser hatten zuvor Israel bezichtigt, die Verhandlungen über eine dauerhafte Gaza-Waffenruhe bewusst zu verzögern. Die "Manöver" der israelischen Delegation verhinderten jeden Fortschritt, sagte der palästinensische Delegationsleiter Asam Al-Ahmed in Kairo.

Mehrwöchige Waffenruhe schien kurz vor Abschluss

Laut palästinensischen Medienberichten standen beide Seiten kurz vor dem Abschluss einer mehrwöchigen Waffenruhe. Ein palästinensischer Politiker benannte die Stichpunkte einer grundsätzlichen Einigung mit Israel. Aschraf al-Adschrami sagte dem israelischen Armeesender: "Die Punkte sind der Wiederaufbau des Gazastreifens, die Aufhebung der Blockade, die Öffnung der Grenzübergänge, die Lösung der Stromprobleme, die Einfuhr von Baumaterialien unter internationaler Kontrolle und die Ausweitung der Fischereizone im Gazastreifen." Von israelischer Seite gab es dafür keine Bestätigung.

Es gebe noch einige Punkte, die verhandelt werden müssten, sagte Al-Adschrami, der als Vertrauter von Abbas gilt. Dazu gehörten die Forderung nach einem Seehafen und einem Flughafen in Gaza, die Pufferzone im Grenzgebiet sowie die Rückführung der Leichen zweier israelischer Soldaten,

Al-Adschrami sagte, die Einigung enthalte nicht die israelische Forderung nach einer Entmilitarisierung des Gazastreifens. Stattdessen habe man sich unter US-Vermittlung auf Mechanismen geeinigt, die eine Wiederbewaffnung der radikal-islamischen Hamas verhindern sollten, sagte der ehemalige Häftlingsminister.

Die Hamas sagte nach Angaben der Vereinten Nationen zu, Präsident Abbas wieder die Kontrolle über die Grenzübergänge zum Gazastreifen zu überlassen. Abbas soll auch die Aufsicht über den Wiederaufbau in Gaza haben. "Soweit wir es verstanden haben, wurde das bei den Verhandlungen in Kairo diskutiert und wir wurden informiert, dass die Hamas und ihre Gruppierungen das akzeptiert haben", sagte der UN-Sondergesandte Robert Serry in New York.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza starben in dem Konflikt seit dem 8. Juli aufseiten der Palästinenser 2016 Menschen, mehr als 10 000 wurden verletzt. Auf israelischer Seite wurden 64 Soldaten und 3 Zivilisten getötet, Hunderte Menschen erlitten Verletzungen.

(dpa)
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