Frankreich und Türkei Genozid-Streit wird zur diplomatischen Krise

Paris · Der Streit zwischen Frankreich und der Türkei um die Armenierfrage hat sich zu einer schweren diplomatischen Krise entwickelt. Nachdem die Nationalversammlung in Paris am Donnerstag einem Gesetzentwurf zustimmte, der das Leugnen des "Völkermordes" an den Armeniern unter Strafe stellen soll, zog die Türkei aus Protest ihren Botschafter ab. Frankreichs Außenminister Alain Juppé versuchte, die Wogen zu glätten.

Ein Bild aus dem Jahr 1915, dass türkische Soldaten neben erhängten Armeniern zeigt.

Ein Bild aus dem Jahr 1915, dass türkische Soldaten neben erhängten Armeniern zeigt.

Foto: AFP

Eine überwältigende Mehrheit der französischen Parlamentarier stimmte für die Vorlage einer Abgeordneten der konservativen Regierungsmehrheit. Die Türkei sieht in dem Gesetz eine wahltaktische Geste von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy an die etwa 500.000 armenischstämmigen Bürger in Frankreich. Sarkozy stellt sich im Frühjahr zur Wiederwahl.

Die Türkei stoppte nach dem Votum die politische und militärische Kooperation mit Frankreich. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach von "sehr schweren und irreparablen Wunden", die aufgerissen würden. Die Entscheidung basiere auf "Rassismus, Diskriminierung und Fremdenhass". "In unserer Geschichte wurde kein Völkermord begangen", betonte er.

45.000 Euro Strafe für das Leugnen des Genozids

Erdogan kündigte an, dass Besuche Frankreichs eingestellt würden. Außerdem werde die Militärkooperation mit Paris auf Eis gelegt, gemeinsame Manöver würden abgesagt. Der türkische Botschafter Tahsin Burcuoglu reist am Freitag aus Paris ab, wie ein Sprecher der Vertretung mitteilte. Erdogan hatte Paris zuvor mehrfach mit ernsten Konsequenzen gedroht, darunter Sanktionen gegen französische Firmen.

Der Gesetzentwurf sieht bis zu zwölf Monate Haft und eine Geldstrafe von 45.000 Euro für das Leugnen eines gesetzlich anerkannten Völkermordes vor. Dazu zählt das Massaker an den Armeniern in der Türkei in den Jahren 1915 bis 1917, das in Frankreich seit 2001 als Völkermord anerkannt ist. Armenien und ein Großteil der internationalen Wissenschaft gehen von 1,5 Millionen Toten aus. Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück und spricht von 500.000 Toten.

"Wir haben unsere Heimat verteidigt"

Dem Votum muss noch der französische Senat zustimmen; die Beratungen könnten Monate dauern. Der Gesetzentwurf ist auch in Frankreich nicht unumstritten. Kritiker argumentieren, historische Diskussionen und Meinungsäußerungen sollten nicht unter Strafe gestellt werden. Außenminister Alain Juppé erklärte, es sei wichtig, Dialog und Kooperation aufrechtzuerhalten. Zuvor hatte er bereits vor einer "Überreaktion" der Türkei gewarnt.

Die Beziehungen beider Länder seien "eng und vielfältig". Die Türkei gilt wegen ihrer Wirtschaftskraft und ihres politischen Gewichts in der Region als wichtiger Partner.
In Ankara protestierten wütende Demonstranten gegen das französische Votum. "Wir haben keinen Völkermord begangen, wir haben unsere Heimat verteidigt", riefen sie. In Paris demonstrierten rund 4000 Türken vor dem Parlament.

(AFP)
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