Altkanzler Gerhard Schröder gibt EU schuld an der Ukraine-Krise
Berlin · Der Altkanzler Gerhard Schröder hält Sanktionen und Isolationspolitik für falsch. Derweil reist Linken-Fraktionschef Gysi zu Gesprächen nach Russland. Das Referendum in der Ost-Ukraine verschärft die Spannungen.
In der Ukraine-Krise hat Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder zu mehr Verständnis für Russlands Präsident Wladimir Putin aufgerufen und der Europäischen Union die Schuld für die krisenhafte Zuspitzung gegeben. "Der grundlegende Fehler lag in der EU-Assoziierungspolitik", sagte Schröder. "Sanktionen und Isolation bringen nichts", betonte der SPD-Politiker, der auch seine Umarmung mit Putin kurz nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland verteidigte. Seit 14 Jahren begrüße er so seinen Freund; "das ändere ich auch nicht in schwierigen Zeiten", bekräftigte er in der "Welt am Sonntag".
Putin sei keine persona non grata, betonte Schröder. Deshalb habe er auch zu keiner Zeit daran gedacht, den Empfang zu seinem 70. Geburtstag zu verschieben. Die Gespräche mit Putin hätten zur Freilassung der deutschen Geiseln in der Ost-Ukraine beigetragen.
Die Ukraine-Krise war beherrschendes Thema auch auf den Europa-Parteitagen am Wochenende. Direkt vom Linken-Parteitag startete Fraktionschef Gregor Gysi nach Moskau. Er wolle zur Deeskalation beitragen und sich unter anderem mit führenden Duma-Abgeordneten treffen, sagte er. FDP-Vize Wolfgang Kubicki kündigte an, dass auch schleswig-holsteinische Abgeordnete im Rahmen der Ostsee-Parlamentarierkonferenz in Kürze mit russischen Kollegen in Kaliningrad sprechen würden.
Kubicki unterstützte Schröder und sagte, dass man auf den Ex-Kanzler "gelegentlich hören sollte". Es sei richtig, dass es keine militärische Option geben könne und deshalb Sanktionsdrohungen nicht weiterführten. "Je schärfer die Drohung ausgesprochen wird, desto schwieriger wird die Rücknahme ohne Gesichtsverlust", so Kubicki.
Dagegen kritisierte der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, Schröders These von der Schuld der EU an der Ukraine-Krise scharf. "Schröder verdreht die historischen Tatsachen, und das Schlimme ist, er weiß es natürlich", sagte der CDU-Politiker.
Beim umstrittenen Referendum russlandtreuer Separatisten in der Ost-Ukraine über eine Loslösung zeichnete sich nach Angaben der Veranstalter eine hohe Wahlbeteiligung ab. Dagegen erklärte die Regierung in Kiew, in Teilen der Region fänden gar keine Abstimmungen statt. Es handele sich um eine von Russland inspirierte, organisierte und finanzierte Kampagne, um Verbrechen zu vertuschen.
Während die Wortführer der selbst ernannten "Volksrepubliken" die Schaffung staatlicher und militärischer Strukturen ankündigten, erklärte Frankreichs Staatspräsident François Hollande das Referendum für "null und nichtig". Er hatte sich zuvor mit Kanzlerin Angela Merkel auf eine Art rote Linie verständigt: Sollte Putin die für den 25. Mai geplante Präsidentschaftswahl in der Ukraine behindern, seien auch Wirtschaftssanktionen der EU unumgänglich.
Bereits am Montag kommen die Außenminister der EU in Brüssel zusammen, um die bestehenden Sanktionen zu verschärfen. Weitere Namenslisten seien vorbereitet, hieß es. Dabei gehe es um Kontensperrungen und Einreiseverbote.