Wahl-Triumph verunsichert Europäer Alexis Tsipras erklärt Sparpolitik für beendet

Athen · Der Populist Alexis Tsipras feiert mit seinem Linksbündnis Syriza einen triumphalen Wahlsieg in Griechenland. Im Lauf der Nacht zeigt sich: Für eine absolute Mehrheit reicht es wohl nicht. Dennoch verkündet Tsipras vor jubelnden Anhängern das Ende der Sparpolitik: Die Auflagen der Troika seien Geschichte. Bundesbank-Chef Jens Weidmann pocht auf Reformzusagen der Griechen.

 Alexis Tsipras lässt sich in Athen von Anhängern für seinen Wahlsieg feiern.

Alexis Tsipras lässt sich in Athen von Anhängern für seinen Wahlsieg feiern.

Foto: dpa, yk pt ks

Das Linksbündnis Syriza hat nach seinem klaren Sieg bei der Parlamentswahl in Griechenland Verhandlungen über die Reformauflagen seiner internationalen Geldgeber angekündigt. "Das Mandat des griechischen Volks schließt ohne Zweifel den Teufelskreis des Sparens", sagte Syriza-Chef Alexis Tsipras vor Tausenden jubelnden Anhängern am Sonntagabend.

Die Griechen hätten für ein Ende des zerstörerischen Sparprogramms gestimmt. Die neue Regierung werde nun eigene Reformpläne vorlegen, wolle dabei aber mit den Geldgebern an einer gemeinsamen Lösung arbeiten. Ein Streit solle verhindert werden.

Der Euro fiel zum Dollar auf den niedrigsten Stand seit elf Jahren. Die asiatischen Börsen tendierten schwächer. Nach Auszählung von 92 Prozent der Stimmen war Syriza auf Kurs, 36,3 Prozent der Stimmen und damit 149 der 300 Parlamentssitze für sich zu verbuchen. Für die absolute Mehrheit würde das somit nicht reichen. Mindestens 151 Mandate wären nötig, um sicher alleine regieren zu können.

Noch am Montag wollte Tsipras sich nach Angaben eines Parteimitglieds mit einer kleineren Partei treffen, um sich deren Unterstützung zu versichern und über eine potenzielle Regierungsbeteiligung zu sprechen. Die Regierung des neuen Ministerpräsidenten werde bis spätestens Mittwoch vereidigt sein.

Tsipras hatte im Wahlkampf erklärt, das von der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit 240 Milliarden Euro vor der Pleite gerettete Land zwar in der Euro-Zone halten zu wollen. Vereinbarte Reform-Auflagen will er aber kippen. Zudem forderte er einen Schulden-Nachlass, was die Troika ablehnt. Diese sei nun jedoch Teil der Vergangenheit, sagte der 40-Jährige nach der Wahl.

Bundesbank mahnt

Der Euro gab nach den ersten Prognosen aus Athen prompt nach. Zwischenzeitlich kostete die Gemeinschaftswährung mit 1,1098 Dollar so wenig wie seit September 2003 nicht mehr.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte in der ARD, Griechenland sei nach wie vor auf Hilfen der Partner angewiesen. "Und das heißt natürlich auch, dass es ein solches Programm nur geben kann, wenn die Verabredungen auch eingehalten werden." Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Vertragsuntreue dürfe nicht honoriert werden. "Das wäre auch ein völlig falsches Signal an andere Krisenländer, die dann Gleiches erwarten würden."

SPD: "Syriza hat eine Chance verdient"

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte Syriza zu neuen Reformen und zur Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft auf. "Ich erwarte, dass die neue Regierung strukturelle Reformen mutig angeht. Dazu gehören die Reform der Steuerverwaltung und die Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft", sagte Oppermann unserer Redaktion. "Syriza hat eine Chance verdient, zu zeigen, ob ihnen die Durchsetzung diese Reformen gelingt. Das hat die Vorgängerregierung nicht geschafft", sagte der SPD-Politiker. "Klar ist: Deutschland wird weiterhin solidarisch mit Griechenland sein. Aber auch die neue griechische Regierung ist an die Vereinbarungen mit der EU und der Troika gebunden. Es gibt auch künftig keine Leistung ohne Gegenleistung", sagte Oppermann.

DIW-Chef warnt vor "Verwerfungen in ganz Europa"

Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, sprach sich dagegen gegenüber unserer Redaktion für einen Schuldenschnitt aus im Gegenzug für soziale und wirtschaftliche Reformen aus. Die Linken-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger erklärten, Syrizas Erfolg sei ein Hoffnungszeichen für einen Neuanfang in Europa. Die von der Bundesregierung maßgeblich geprägte Euro-Rettungspolitik der Troika sei gescheitert.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher bewertete das Wahlergebnis hingegen als "schlechte Nachricht für Europa und für Griechenland". "Das unerwartet starke Resultat wird Syzria und seinen Premierminister Tsipras sehr viel selbstbewusster und aggressiver gegenüber seinen europäischen Partnern auftreten lassen", sagte Fratzscher unserer Redaktion. "Ein Konflikt mit den europäischen Partnern über die Wirtschaftspolitik ist vorprogrammiert", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Freundliche Signale aus Frankreich

"Auch wenn Syriza Griechenland im Euro halten will, so wird es viel Unsicherheit über den künftigen Kurs der griechischen Regierung geben", sagte Fratzscher. Er erwarte jedoch, "dass andere europäische Länder wenig betroffen sein werden". Wenn es jedoch zu einer Eskalation und einem unwahrscheinlichen Austritt aus dem Euro kommen sollte, "so könnte es durchaus zu Verwerfungen in ganz Europa kommen", warnte der Top-Ökonom.

Der britische Premierminister David Cameron warnte, der Wahlausgang werde die wirtschaftliche Unsicherheit in Europa verstärken. Frankreichs Präsident Francois Hollande - ein Gegner der rigiden Sparpolitik - sprach sich für eine enge Zusammenarbeit mit Griechenland aus, um für Wachstum und Stabilität der Euro-Zone zu sorgen. Der finnische Außenminister Erkki Tuomioja sagte in einem Interview, das Wahlergebnis werde die Debatte in Europa verändern und den Schwerpunkt mehr auf Wachstum und Beschäftigung verlagern.

Tsipras ließ in seiner Rede vor Anhängern offen, was genau er mit den Geldgebern neu verhandeln will. Ziel seiner Politik werde aber sein, die durch die Krise entstandenen Wunden der Griechen zu heilen und den sozialen Zusammenhalt im Land wieder herzustellen. Die Auflagen der Troika haben zu schweren sozialen Verwerfungen im Land geführt.

Die Finanzminister der Euro-Zone wollten noch am Montag in Brüssel darüber beraten, welche Folgen das Wahlergebnis für die Währungsgemeinschaft und die Europäische Union (EU) hat. Beschlüsse wurden aber noch nicht erwartet.

(RP REU)
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