Radikale profitieren von Wut-Wahlen Griechenland wählt sich in die Blockade

Düsseldorf · Die griechischen Wähler haben ihre Volksparteien wie geprügelte Hunde vom Hof gejagt. Bürgerliche und Sozialisten erlebten einen historischen Absturz. Das Land steht nun vor einer extrem schwierigen Regierungsbildung. Die radikalen Gegner der Sparprogramme haben eine Mehrheit. Griechenland erlebt eine Stunde Null. An den Börsen herrschte große Sorge.

2012: Nazis, Linke, Populisten - das sind Griechenlands Parteien
9 Bilder

2012: Nazis, Linke, Populisten - das sind Griechenlands Parteien

9 Bilder

Seit der Rückkehr zur Demokratie teilten in Griechenland zwei große Parteien die Macht unter sich auf. Die konservative Nea Demokratia und die Sozialisten von der Pasok regierten im Wechsel mit absoluten Mehrheiten. Das war einmal. Am Sonntag erlebten die beiden Großen der Parteienlandschaft ihr blaues Wunder. Konservative und Sozialisten können weder alleine noch zusammen weiter regieren.

Bei den Wahlen schnitten sie noch schlechter ab als ohnehin befürchtet. Die Konservativen stürzten von 33,5 Prozent ab auf knapp 19 Prozent, die Sozialisten erwischte es noch ärger: 43,9 Prozent waren es noch bei den Wahlen 2009, am gestrigen Sonntag reichte es gerade einmal für 13,2 Prozent.

"Wahl des Zornes"

Die Wähler machen vor allem die Pasok für die brutalen Sparprogramme und den Niedergang des Landes verantwortlich. Was nun bleibt, sind Schimpf und Schande. Die griechische Parteienlandschaft liegt in Trümmern. "Wahl des Zornes" titelte die Athener Zeitung Ethnos am Montag.

Mit fast 20 Prozent schnitt die Nea Demokratia noch am besten ab. Ihr Erfolg ist nicht ohne Ironie. Denn es waren die Konservativen, die während ihrer Regierungszeit zwischen 2004 und 2009 das griechische Defizit verdreifachten. In der Opposition wetterte ihr Vorsitzender Antonis Samaras konsequent gegen den Sparkurs und handelte sich in Brüssel damit schnell den Ruf eines gewissenlosen Machtpolitikers ein.

Ausgerechnet Samaras

Jetzt steht ausgerechnet Samaras in der Verantwortung, eine neue Regierung zu schmieden. Im Euro verbleiben will auch er. Am Montagmorgen begann er mit der fieberhaften Suche nach Koalitionspartnern. Drei Tage hat er dafür Zeit. Andernfalls wandert die Aufgabe an die zweitstärkste Partei weiter.

Samaras, kündigte an, gemeinsam mit der Pasok sowie weiteren Parteien eine Regierung der nationalen Einheit bilden zu wollen. Bedingungen seien der Verbleib in der Eurozone und die Fortsetzung des Sparkurses, allerdings mit einem flankierenden Wachstumsprogramm.

Wie ein Sprecher der Nea Dimokratia der Nachrichtenagentur dpa sagte, wollte sich Samaras schon am Nachmittag mit dem Chef der zweitstärksten Partei, Bündnis der Radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras, treffen. Diese linke Partei hatte am Sonntag ihre Kräfte vervierfacht - von 4,6 Prozent 2009 auf 16,78 am Sonntag. Anschließend sei ein Treffen mit Pasok-Chef Evangelos Venizelos geplant.

Ein Bündnis der Verlierer

Für ein Bündnis kommt derzeit zunächst die Pasok in Frage, die sich ebenfalls für den Verbleib im Euro ausspricht und somit den harten Sparauflagen beugt. Ihr Vorsitzender Evangelos Venizelos hat bereits seine Bereitschaft signalisiert. Zusammen kommt das aus der Not geborene Elendsbündnis der ehemals Großen auf 32 Prozent. Dank einer Sonderregelung, die der stärksten Partei 50 Parlamentssitze extra zuspricht, reicht das für immerhin 149 der 300 Parlamentssitze. Doch für eine Mehrheit muss ein Dritter ins Boot.

Welche Partei das am Ende sein wird, ist derzeit offen. Sicher ist nur: Es wird eine sein, die die Sparprogramme auf den Prüfstand stellen oder gleich ganz aufkündigen will. Die Gegner der bisherigen Strategien gegen die Staatskrise haben im Parlament ein knappe Mehrheit. Dazu zählen stramme Alt-Kommunisten oder gewalttätige Neo-Faschisten. Es sind Populisten und Radikale, denen tausende Wähler nun eine Mehrheit im Parlament gegeben haben.

Antideutsche Parolen

Die Regierungsbildung verspricht extrem kompliziert zu werden. Auch die Ausgestaltung des Sparprogramms dürfte in Koalitionsverhandlungen besprochen werden. Demoskopen schlossen schon am Montag Neuwahlen nicht aus. "Alptraum der Regierungslosigkeit", titelte die Athener Zeitung "Ta Nea".

Als Koalitionspartner der traditionellen Regierungsparteien bieten sich unter anderem die rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" an. Diese eher antieuropäische Partei hat 33 Sitze im Parlament. Im Wahlkampf war sie mit antideutschen Parolen unterwegs. Viele Griechen machen die Bundesregierung und Kanzlerin Merkel wegen ihres entschiedenen Sparkurses für das Elend des Landes verantwortlich.

Den Griechen läuft die Zeit davon

Auch auf eine Einbindung der kleinen gemäßigten Partei Demokratische Linke (19 Sitze) wird spekuliert. Ihre Führung wies Koalitionen zunächst zurück. "Wir werden den etablierten Parteien kein linkes Alibi geben", sagte der Chef der Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, im Fernsehen.

Die Sondierungen könnten mehrere Tage dauern. Den Griechen läuft allerdings die Zeit davon. Ende Mai erwarten die internationalen Geldgeber eine handlungsfähige Regierung. Anderenfalls könnten sie den Geldhahn zudrehen. Die Folge könnte die Staatspleite sein.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich beunruhigt. Das Wahlergebnis werfe viele Fragezeichen auf. "Wir setzen darauf, dass eine Regierung der Vernunft gebildet wird, die sich weiter europäisch ausrichtet", sagte er am Montag in Berlin. Er könne den Frust der griechischen Bürger verstehen, die wegen jahrelang unterlassener Reformen in Athen nun den Anpassungsprozess mit doppelter Wucht ertragen müssten. Europa werde helfen. "Wir wollen nicht, dass Europa ausfranst, sondern eine Schicksalsgemeinschaft bleibt", sagte Westerwelle.

(dpa/AFP/REU)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort