Nach Grubenunglück in Soma Erdogan-Berater tritt auf Demonstranten ein

Istanbul · Nach dem Grubenunglück in der Türkei schwindet bei den Hinterbliebenen und Bergarbeitern nicht nur die Hoffnung, noch Überlebende zu finden, sondern es steigt auch die Wut auf die Regierung. Und die Empörung wächst angesichts eines Fotos, das derzeit in den sozialen Netzwerken die Runde macht. Zu sehen ist darauf ein Berater des Ministerpräsidenten, der auf einen Demonstranten einprügelt.

Recep Tayyip Erdogans Berater Yusuf Yerkel tritt Demonstranten
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Erdogans Berater Yerkel tritt Demonstranten

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Am Mittwochabend war es in Ankara und Istanbul wegen des Grubenunglücks zu Demonstrationen gekommen. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten vor. Das rüde Vorgehen der Sicherheitskräfte ist immer wieder Gesprächsthema in der Türkei. Auch jetzt wieder. Zumal in den sozialen Netzwerken auch ein Foto die Runde macht, auf dem zu sehen ist, wie ein Berater von Recep Tayyip Erdogan auf einen bereits am Boden liegenden Demonstranten eintritt.

Who's the dude in the suit? Rumored to be Erdogan's bodyguard or something #soma protests #turkey via @AtillaTasNet pic.twitter.com/38wIiMPIdZ

Der Mann holt mit voller Wucht aus, will offenbar zutreten, der Demonstrant krümmt sich am Boden. Für viele Regierungsgegner im Netz ist es ein deutliches Zeichen für die Brutalität nicht nur der Sicherheitskräfte, sondern auch der Regierung, deren Rücktritt so mancher nach dem Grubenunglück fordert.

Der Berater Erdogans heißt nach Angaben von Hürriyet Daily News Yusuf Yerkel. Und er gab die Aktion demnach auch zu — und verteidigte sich, argumentierte, es habe sich um einen linken Militanten gehandelt, der aus einer anderen Stadt nach Soma, dem Unglücksort, gekommen sei. Hurriyet Daily News beschreibt ihn als einen Trauernden. Yerkel sagte laut dem Portal: "Er hat mich angegriffen und beleidigt, genauso wie den Premierminister. Hätte ich ruhig bleiben sollen?"

Es ist eine Aussage, die die Regierungsgegner noch wütender machen und in ihren Forderungen nach einem Rücktritt der Regierung bestärken dürfte. In Sprechchören hatten sie dies bereits am Mittwochabend gefordert. Sowohl Demonstranten als auch Gewerkschaften kritisieren, es habe sich nicht um einen Unfall, sondern um Mord gehandelt. Es gibt Kritik, dass Sicherheitsvorschriften nicht zur Genüge eingehalten worden seien.

Türkische Medien hatten auch berichtet, dass die Regierungspartei AKP im vergangenen Monat Forderungen der Opposition zurückgewiesen hatte, die Sicherheitsvorkehrungen an der Zeche Soma zu überprüfen. Die Bergwerksgesellschaft teilte mit, die letzten Sicherheitsüberprüfungen habe es vor zwei Monaten gegeben.

Das Unglück in Soma dürfte das schwerste in der Geschichte der Türkei sein. Und mit jeder Stunde schwindet die Hoffnung, dass noch Minenarbeiter lebend gefunden werden. 787 Arbeiter waren wegen des Schichtwechsels zum Zeitpunkt des Unglücks in der Zeche. Inzwischen stieg die Zahl der Toten nach Regierungsangaben auf 282. Nachdem am Mittwoch noch einmal mehrere Arbeiter lebend gerettet worden waren, sei aber in den vergangenen zwölf Stunden kein Kumpel mehr lebend gerettet worden.

Für die Angehörigen, die mitunter seit Bekanntwerden des Unglücks vor der Mine und vor der Klinik ausharren, um Nachricht von ihren Vätern und Söhnen zu bekommen, sind es Stunden der Verzweiflung.

(das)
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