Altkanzler Helmut Schmidt erklärt den Chinesen ihre Diktatur
Peking · Altkanzler Helmut Schmidt schreibt eine Lobeshymne auf das neue Buch des chinesischen Staatschefs Xi Jinping – und wird auf allen Titelseiten der Volksrepublik gedruckt.
Altkanzler Helmut Schmidt schreibt eine Lobeshymne auf das neue Buch des chinesischen Staatschefs Xi Jinping — und wird auf allen Titelseiten der Volksrepublik gedruckt.
Wer in der chinesischen Suchmaschine Baidu die Suchbegriffe "Helmut Schmidt", "China regieren" und "Xi Jinping" eingibt, wird mit 4800 aktuellen Links belohnt. Schmidts Buchbesprechung des neuesten Werks von Staats- und Parteichef Xi wird zelebriert wie eine Art postkommunistisches Manifest. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua verbreitete den Text des deutschen Ex-Kanzlers; die Staatspresse von der "Volkszeitung" bis zur "Rechtszeitung" druckte ihn auf ihrer Titelseite. Rundfunksender übernahmen Schmidts Rezension ebenso wie lokale Regierungswebsites.
In seiner Buchkritik spart Schmidt nicht mit Tadel, aber nicht etwa an Xi, sondern vor allem am Westen und dessen Unvermögen, China wirklich verstehen zu können. Er habe immer bedauert, dass die oberste Führungsschicht in China über den Westen besser informiert sei als umgekehrt der Westen über China. Nun komme das neue Buch von Präsident Xi auf den Markt, "das dem entgegenzuwirken versucht", schreibt Schmidt. Tatsächlich ist Xis Buch als globale Breitseite angelegt. Es handelt vor allem vom "chinesischen Traum", dem Wunsch nach Frieden, ebenso wie vom Aufbau einer starken Armee, von Reformen, Partei und Sozialismus.
Schmidt erinnert in seiner Rezension des Xi-Buches daran, dass er China schon seit 1975 kenne, und stellt fest, dass sich heute im Vergleich zu damals nach einigen Wirren und Wendungen ein fast unglaublicher Zuwachs an Spielräumen und auch an Freiheiten und Rechten der einzelnen Bürger beobachten lasse. Tatsächlich waren die Jahre seit Schmidts erstem China-Besuch eine Zeit, in der die Regierenden ihrem Volk sehr sparsam wirtschaftliche Freiheiten einräumten und den Weg in jenen Pseudo-Kapitalismus begannen, der heute so erfolgreich ist. Aber welche Freiheiten und Rechte Schmidt auch immer meinen mag - demokratische Mitbestimmung und individuelle Bürgerrechte gehören auch heute noch nicht dazu.
Peking wählte die Frankfurter Buchmesse im Oktober für die Präsentation von "China regieren". Das Buch erschien gleichzeitig in neun Sprachen, darunter 575 Seiten auf Deutsch. Als Gastredner luden die Pekinger Organisatoren Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ein. Als Träger des offiziellen Titels "Alter Freund Chinas" und Türöffner für Industrie-, Bank- und Medienkonzerne ist er ebenso rührig im Reich der Mitte wie beim russischen Nachbarn. In seiner Laudatio auf der Buchmesse soll er Xi einen "visionären Reformer" genannt haben.