Krise in der Ukraine Hilfskonvoi aus Russland erreicht Lugansk

Kiew · Trojanisches Pferd oder doch Hilfslieferung? Ein russischer Konvoi mit mehr als 200 Fahrzeugen hat am Samstag gegen den Willen der ukrainischen Regierung die Grenze überquert und angeblich Hilfsgüter in die Rebellenhochburg Lugansk gebracht.

 Der zweite russische Hilfskonvoi hat die Ukraine erreicht.

Der zweite russische Hilfskonvoi hat die Ukraine erreicht.

Foto: afp, YK/FL

Der Sprecher des ukrainischen Sicherheitsrats, Andrej Lyssenko, sagte, der Konvoi sei illegal in ukrainisches Gebiet gefahren. "Ukrainischen Grenzwachen und dem Zoll war es nicht gestattet, die Fracht und die Fahrzeuge zu untersuchen", sagte er. "Keiner weiß, was drin ist."

Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa teilten mit, dass insgesamt 220 Lkws die Grenze überquert hätten. Nur 40 davon seien von russischer Seite kontrolliert, der Rest durchgewinkt worden. Weder das Rote Kreuz noch die ukrainischen Grenzbehörden hätten die Ladung inspiziert. Auch eine Vertreterin des Moskauer Büros des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Galina Balsamowa, sagte am Samstag, man sei über den Konvoi nicht informiert worden.

"Am frühen Morgen sind wir in die Ukraine gekommen, um Hilfe nach Lugansk zu bringen", sagte der Leiter des Konvois, Juri Stepanow, während hinter ihm Arbeiter in der Stadt Kisten aus den Fahrzeugen luden und in Lagerhallen verstauten. Darin seien vor allem Essen, aber auch Medikamente und Kleidung.

Reporter der Nachrichtenagentur AP konnten sehen, dass aus einer der verschlossenen Kisten, die leicht genug waren, um von einer Person getragen zu werden, Reis herausfiel. In einer der Lagerhallen entdeckten sie Wasserflaschen mit dem Logo der nationalistischen russischen Partei LDPR. Bewaffnete Milizionäre beobachten das Abladen der Kisten.

Stepanow betonte, dass die Verteilung der Hilfsgüter von der separatistischen Führung der Stadt übernommen werde. Ein Vertreter der Rebellen sagte der AP, dass das Essen vor allem an Alte, Kinder und Kranke verteilt werde, nicht aber an Soldaten. "Die Miliz wird sich selbstständig ernähren. Das ist für die Bewohner der Volksrepublik Lugansk." In der Stadt, die zeitweise von Regierungstruppen umzingelt war und wochenlang von Regierungstruppen beschossen wurde, sind seit Wochen Zehntausende ohne Strom und fließend Wasser.

Kiew reagiert zurückhaltend

Obwohl die internationale Überwachung der Hilfsaktion fehlte, fiel die Reaktion Kiews weit zurückhaltender aus, als beim ersten Hilfskonvoi im August, den die Regierung noch als "Invasion" verurteilt hatte. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte bei einer Konferenz mit Politikern und führenden Unternehmensvertretern am Samstag in Kiew zwar, sein Land sei trotz der Feuerpause "noch immer im Kriegszustand" mit Russland und warf Präsident Wladimir Putin vor, "die gesamte Ukraine" unter seine Kontrolle bringen zu wollen. Den russischen Konvoi erwähnte Jazenjuk aber nicht.

Präsident Petro Poroschenko bemühte sich zuletzt, die Fortschritte in der Krise herauszustreichen, trotz des mehrfachen Bruchs der Waffenruhe. Hilfslieferungen in die Region waren Teil des Zwölf-Punkte-Friedensplans, zu dem auch die Feuerpause gehörte.

Das ukrainische Militär erklärte am Samstag, es habe in der Nacht einen Angriff der Rebellen auf den Flughafen von Donezk zurückgeschlagen. Der Stadtrat der Rebellenhochburg teilte mit, dass Granaten Wohngebäude in der Gegend getroffen hätten. Berichte über Tote gab es zunächst nicht.

Erstmals gestanden die ukrainischen Behörden auch ein, dass es bei den Kämpfen seit Beginn der Feuerpause Tote gegeben habe. Nach Angaben Lyssenkos kamen sechs ukrainische Soldaten und zwölf Rebellenkämpfer ums Leben.

(ap)
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