Hinrichtung in Saudi-Arabien Machtkampf um die Führung im Islam

Düsseldorf · Nach der Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen im sunnitischen Saudi-Arabien flammt der Konflikt mit dem Iran wieder auf.

Die Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und Iran eskaliert und entwickelt eine politische Sprengkraft weit über die Region und alle Beteiligten hinaus. Die Saudis hatten am 2. Januar den schiitischen Geistlichen Nimr al Nimr hinrichten lassen. Ihr Vorwurf: Anstiftung zu Aufruhr, Volksverhetzung und Vandalismus. Die Empörung im schiitischen Gottesstaat Iran ist keine Eintagsreaktion. Sie wird nachhaltig wirken. Geht es dabei um das Leben Nimr al Nimrs oder sind die Hinrichtung des schiitischen Ajatollahs und der Tod 46 weiterer Verurteilter nur ein Vorwand, der in einer militärischen Konfrontation enden kann?

Im Grunde geht es um religiöse, vor allem aber um politische Macht. Es geht um die Frage, wer sich in dieser spannungsgeladenen Region als islamische Führungsmacht einrichten kann. Das sunnitsche Saudi-Arabien fühlt sich vom schiitischen Iran herausgefordert. Die Saudis würden sich nie dem nicht-arabischen Iran als Hegemon beugen wollen, auch wenn beide Staaten konservativ-islamisch sind.

Der Kampf um die Vormachtstellung am ölreichen Golf hat eine lange Geschichte. Nun ist er wieder aufgebrochen, während der Iran langsam aus der unter Führung der USA verordneten Isolierung herauskommt. Jahrelang war das iranische Atomprogramm der Streitpunkt. Der Westen, vor allem die USA und Israel, hatten die Ajatollahs in Teheran verdächtigt, an Atombomben zu bauen. Durch die Sanktionen wurde der Iran kleingehalten. Die Drohung, notfalls militärisch gegen das Atomprogramm vorzugehen, hinderte Teheran auch, eine politisch konstruktive Rolle zu spielen. So unterstützte die Führung in Teheran die im Libanon operierende und Israel bekämpfende schiitische Hisbollah-Miliz. Auch ein Ende des Krieges in Syrien ist ohne den Iran undenkbar. Der Iran hat den Atomwaffenplänen auf internationalen Druck hin abgeschworen. Solche Pläne habe es nie gegeben, sagen Regierungsvertreter. Offenbar kann nun ein neues Kapitel in den Beziehungen aufgeschlagen werden.

Die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran
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Foto: dpa, ya sw lof

Während des Kalten Krieges hatten die Vereinigten Staaten dem Iran die Führungsrolle in der Region zugedacht - und nicht Saudi-Arabien. 1953 wurde Irans Ministerpräsident Mohammad Mossadegh mit der Hilfe der CIA bei der Operation "Ajax" gestürzt und Schah Reza Pahlawi aus dem Exil geholt. Er leitete wirtschaftliche, politische und soziale Reformen ein und band das Land als regionale Ordnungsmacht fest an den Westen.

Die islamische Revolution unter Ajatollah Khomeini fegte 1979 das von den USA aufgerüstete Schah-Regime und die damit verbundene innenpolitische Verwestlichung weg. Damit ging den USA der wichtigste Verbündete in der Region verloren. Aus Angst vor dem Expansionsdrang des schiitischen Gottesstaates wandten sich die USA verstärkt den Saudis zu, die als ölreichstes Land der Welt für die Entwicklung der Weltwirtschaft unverzichtbar sind. In der Folge wurde Saudi-Arabien immer stärker aufgerüstet. Das saudische Feudalsystem, das mit demokratischen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Vorstellungen des Westens unvereinbar ist, wurde so dennoch gestärkt.

Nach dem Ende des Irak-Krieges 2003 und dem weitgehenden Abzug der USA 2011 kündigten die Saudis an, sie würden die irakischen Sunniten massiv unterstützen, um kein Machtvakuum entstehen zu lassen. Doch im Irak bilden die Schiiten die Mehrheit. Und diese werden von ihren Glaubensbrüdern aus Teheran, also vom politischen Feind, unterstützt.

Der Konflikt bildet am Ende auch den Hintergrund für das Erstarken des terroristischen sunnitischen Islamischen Staats. Die Saudis, die auf geschätzten rund 17 Prozent aller weltweiten Erdölvorkommen sitzen, können überdies Einfluss ausüben, weil sie über hohe Erdöleinnahmen verfügen. Das konnten die Iraner zuletzt nur in sehr beschränktem Umfang. Denn ihre Erdölindustrie lag wegen der Sanktionen des Westens am Boden. Es fehlten Ersatzteile und moderne Technologie. Das immerhin kann nun anders werden.

Beherrschenden Einfluss übt Saudi-Arabien als Golfmonarchie auch in der Arabischen Liga und im Golfkooperationsrat aus. Im Dezember hatte der Vize-Kronprinz Mohammed bin Salman die Gründung eines "islamischen Militärbündnisses", zu dem 34 vorwiegend muslimische Staaten zählen, bekannt gegeben. Nun fliegt die von den Saudis beherrschte Allianz Angriffe gegen schiitische Huthi-Rebellen im Bürgerkrieg im Jemen.

Auch in Syrien treffen Saudi-Arabien und der Iran aufeinander: Während die Iraner Machthaber Baschar al Assad unterstützen, helfen die Saudis syrischen Rebellen, die den Sturz Assads betreiben. Und in Ägypten, wo die Jugend auf die Straße ging, um den "Arabischen Frühling" mit seiner Öffnung hin zu mehr Demokratie und Freiheit zu feiern, stützen die Saudis mit vielen Milliarden den ägyptischen Ex-Militär und heutigen Präsidenten Abdel Fattah al Sisi.

Doch es gibt für die Weltwirtschaft noch ein Risiko. Der schiitische Iran kontrolliert die Straße von Hormus, die ein Großteil der Öl- und Gastanker passieren müssen. Sperrt Teheran den Weg, könnte es den sunnitischen Ölexporteuren den Geldhahn drosseln. Es liefe aber auch Gefahr, sich mit dem Rest der Welt erneut anzulegen.

(RP)
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